Die totale Soimenfmsterniss vom 18. Juli 1860.
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verschwunden waren, zeigten sich gleichwohl die Umrisse,
naher, wie entfernter Gegenstände, mit grosser Bestimmtheit.
Die Temperatur, sowohl in der Sonne als im Schatten,
nahm sehr merklich ab. Das der Sonne ausgesetzte Ther
mometer sank von 23°,8 B. auf 14°,7; das im Schatten hän
gende von 17,1 auf 13,1. Auch fand diese niedrigste Tem
peratur erst 8 Minuten nach der totalen Verfinsterung Statt;
während derselben zeigten die Thermometer resp. 15,0 und
13,7.
Wenden wir uns nun zu den wissenschaftlichen Resul
taten, die aus diesen Beobachtungen gefolgert werden können.
Man hat versucht, die Erscheinungen, die sich hei Son
nenfinsternissen gezeigt haben, auf eine ausschliesslich optische
Illusion zurückzuführen. Namentlich sollten die Lichtkrone
und die Protuberanzen nichts weiter sein als eine Inflexion
der Sonnenstrahlen am Bande der Mondkugel, und eine an
dere Ansicht betrachtet unsere Atmosphäre und die darin
vorkommenden Wolkenmassen als dasjenige, worin diese Er
scheinungen sich bilden. Beide Meinungen können jetzt als
beseitigt betrachtet werden. Die Beobachter in Vitoria haben
eine so grosse Mannichfaltigkeit der Formen, so zusammen
gesetzte Bildungen wahrgenommen, dass an eine blosse optische
Entstehung derselben nicht gedacht werden kann. Die Beu
gungserscheinungen, welche entstehen, wenn ein Lichtstrahl
längs eines dunklen Bandes vorüberzieht, können wohl bunte
Säume, nicht aber solche Figuren erzeugen, und eben so wird
eine Lichtkrone, wie man sie z. B. durch einen die Sonne
genau verdeckenden, Metallschirm hervorbringen kann, eine
ganz gleichförmige, einfach radial sich verlaufende sein müs
sen, mithin total verschieden von dem, was dort wahrgenom
men worden ist. Es bleibt nichts übrig als die Annahme, dass
der Sonnenkörper und seine nächste Umgebung die Ge
burtsstätte dieser Erscheinung sind, und dass wir es mit
einer physischen Wirklichkeit und nicht mit einer optischen
Täuschung zu thun haben. Die Lichtkrone mag eine der
Umhüllungen sein, deren der Sonnenkörper mehrere hat,
und die uns nur sichtbar werden kann, wenn die sie überglän
zenden anderen Lichthüllen uns verdeckt sind, was nur
durch den Mond nahe bei seiner Erdnähe geschehen kann.
In den rothen Protuberanzen aber hat man sich wollkenartige
Verdichtungen vorzustellen, die freilich von unseren Wol
ken sowohl qualitativ als quantitativ wesentlich verschieden
gedacht werden müssen. Sie entstehen nicht in einer Dunst
sondern in einer Lichthülle; sie zeigen sich auch veränder
lich, freilich nicht in den kurzen Minuten einer einzelnen