Full text: Der Wunderbau des Weltalls oder populäre Astronomie

28 
Zweiter Abschnitt. 
ihre Lage beständig behält (stets sich selbst parallel bleibt), 
so wird man eine Vorstellung davon erhalten, wie die länge 
ren Tage und der höhere Sonnenstand allmäblig abnehmen 
und ohne Sprung in die Lage des Winters übergehen. 
Auf halbem Wege zwischen 9. I. und 9. II. wird die Br- 
leuchtungsgrenze durch die Pole gehen und Tag und Nacht auf 
der ganzen Erde gleich machen, der senkrechte Sonnenstrahl 
trifft den Aequator und der Zenithabstand der Sonne ist für jeden 
Erdort der Polhöhe gleich. Das nämliche findet statt, wenn 
in der andern Hälfte der Bahn die Erde auf halbem Wege 
zwischen 9. II. und 9. I. steht. Es sind dies die Momente 
der Nachtgleichen, und zwar der Herbst- und Früh 
lings nachtgleiche. 
Anm, Das hier Gesagte erhält durch ein einfaches Mo 
dell (Tellurium), wo die Erdkugel, auf eine schräge Axe 
gesteckt, einen Lauf um ein die Sonne vorstehendes künst 
liches Licht beschreibt, seine völlige Deutlichkeit. Es giebt 
sehr viele Fälle, wo man durch die hlos zeichnende Darstel 
lung auf einer Fläche zur Versinnlichung nicht ausreicht. Man 
thut dann jedesmal wohl, sich eines wenn auch nur ganz ein 
fachen und rohen Modells zu bedienen. 
§ 19- 
Der Bogen Am J = FE ist das Maass für die Schiefe 
der Ekliptik, wofür man eben so gut Schiefe des Aequa- 
tors setzen könnte, da man sowohl die eine als die andere 
der beiden Ebenen als Grundehene betrachten kann. Sie ist 
nicht ganz constant, sondern schwankt zwischen 21 1 / 2 ° und 
27 1 / 2 °, aber dies in Perioden von mehreren Jahrtausenden. 
Gegenwärtig beträgt sie 23° 27' 32" und sie ist in Abnahme 
begriffen, so dass sie jährlich etwa um eine halbe Sekunde 
kleiner wird. Diese geringen Veränderungen können in Bezug 
auf Klimate keine merkliche Wirkung äussern. Wenn z. B. 
die Schiefe nach 8—10000 Jahren bis auf 21 */2 ° sich vermin 
dert haben wird, so werden die Sommertage in unsern Ge 
genden um 25 Minuten kürzer, die Wintertage um eben so 
viel länger werden als gegenwärtig. Die Wärme der Sommer 
wird durchschnittlich etwa um ’/ 2 Grad geringer, die Kälte 
der Winter aber in demselben Maasse milder werden; für die 
üebergangszeiten, sowie für das Jahr im Durchschnitt, würde 
sich k eine Veränderung heraussteilen. Wenn demnach die Erde, 
wie einige Thatsachen darzuthun scheinen, einst beträchtlich 
wärmer als jetzt war, so kann der Grund nicht in diesen 
Verhältnissen gesucht werden, Ueherhaupt sind alle Hypo 
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