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Zehnter Abschnitt.
auch physisch mit ihm verbunden ist, da beiden die gleiche
scheinbare Eigenbewegung zukommt. Er fand in der That,
dass die Aberration für den Begleiter kleiner, mithin die
Bewegung seines Lichtes rascher sei, als sie für den Polar
stern stattfindet. Aus 55 Beobachtungen in den Jahren 1818
bis 1821 fand er nämlich, dass wenn A die Aberration des
grossen, A' die des kleinen Sternes ist:
A — A' = + 0",180;
und aus fortgesetzten Beobachtungen (91) in den Jahren 1832
bis 1836: A — A' = + 0",133,
beide Resultate durch verschiedene Instrumente. Bei ersterem
Resultate fand sich der wahrscheinliche Fehler + 0",035;
beim zweiten + 0",25; das Mittel mit Berücksichtigung der
Zahl der Beobachtungen fand sich:
A — A' = 0",149; wahrscheinlicher Fehler = + 0",020.
Hieraus würde folgen, dass die Geschwindigkeit des Polar
sternlichtes sich zu der Geschwindigkeit des von seinem Be
gleiter ausgehenden verhalte wie:
133 : 134.
Hach der Geringfügigkeit des wahrscheinlichen Fehlers
scheint dieses Resultat keinem Zweifel unterworfen zu sein;
nur wäre zu wünschen, dass man noch mehrere Sterne in der
Habe der Pole untersuchte.*) Bevor das Factum selbst nicht
ohne allen Zweifel feststeht, dürfte es zu früh sein, Erklä
rungen geben zu wollen. Meine früher geäusserte Yermuthung,
dass der Polarstern durch seine viel grössere Masse das Licht
gleichsam zurückhalte, verlasse ich jetzt um so mehr, als sich
für den Polaris eine Masse ergeben hat, die kleiner als die
Sonnenmasse ist.
Man hat sogar von der Möglichkeit gesprochen, dass ein
Körper eine so ungeheure Masse habe, dass die Gravitation
gegen ihn die Lichttheilchen, nachdem sie vielleicht viele
Millionen Meilen zurückgelegt hätten, wieder zur Umkehr
nöthigte, wie ein aufgeworfener Ball zur Erde zurückkehren
muss. Diese Körper würden alsdann gar nicht ausserhalb der
Grenzen dieser Schussweite ihrer Strahlen gesehen und wir
wüssten nichts von ihnen.
*) Später hat Struve selbst, nachdem er an 5 Sternen mit dem gros
sen, im ersten Yertical aufgestellten Durchgangsinstrumente in Pulkowa
sehr genaue Untersuchungen über die Aberration angestellt und die
Ueberzeugung gewonnen hatte, dass sie für diese 5 Sterne ganz gleich
sei, Zweifel an der Richtigkeit jenes früheren Resultats geäussert und
sich eine neue Untersuchung Vorbehalten, von deren Ausführung jedoch
nichts bekannt geworden ist. Dagegen hat Struve an. andern Sternen
die Aberration erforscht und sie bei allen Fällen gleich gefunden, was
dem obigen Resultat zu widersprechen scheint.