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Zwölfter Abschnitt.
fortrücken. Alsdann aber kann in einem sehr möglichen Falle
die kreisende Bewegung des Begleiters der eignen des Haupt
sterns (die folglich dem Begleiter auch zukommt) ganz oder
nahezu entgegengesetzt und zugleich, linear gemessen, ihr bei
läufig gleich sein (wozu in unserm Planetensysteme bei den
Jupiters- und Saturnstrabanten einige Beispiele verkommen),
und so wird man aus den Beobachtungen auf einen optischen
Doppelstern schliessen, wo in der That ein physischer
vorhanden ist.
Eben so nahe liegt der umgekehrte Fall: zwei hinter
einander stehende Sterne haben jeder eine verschiedene eigene
Bewegung, sie ist aber für beide so gering oder auch so wenig
verschieden, dass ihre gegenseitige Stellung sich nach einem
langen Zeitraum nur um eine Kleinigkeit geändert hat, und
sie nach wie vor Doppelsterne einer gewissen Klasse sind. Die
scheinbare Bewegung des Begleiters wird nun zwar, absolut
genommen, in diesem Falle geradlinig sein, da wir annehmen
müssen, dass die wenigen Bogensekunden, um welche wir Fix
sterne fortrücken sehen, uns als gerade Linie erscheinen; nichts
desto weniger aber wird auch so das Princip der gleichen
Flächenräume sich scheinbar bestätigt finden, und man erst
nach sehr langer Zeit sich überzeugen, dass die Bewegung
der Nebensterne keine solche ist, die sich auf den Hauptstern
bezieht. Mit entschiedener Gewissheit wird sich also der p h y-
s i s c h e Doppelstern erst dann als solcher bewähren, wenn die
Beobachtungen uns überzeugen, dass die Curve seiner Be
wegung eine stärkere Abweichung von der graden Linie zeigt
als die, welche die noch möglichen Beobachtungsfehler bewirken
könnten, und wenn diese Curve zugleich gegen den Haupt
stern hin concav ist; der optische hingegen, wenn die Be
wegung des Begleiters als eine gerade Linie erkannt, und zu
gleich so beträchtlich ist, dass man sie nicht mehr als Theil
einer projicirten kreisenden Bahn betrachten kann. Mit an
deren Worten: ein o p t i s c h e r Doppelstern kann dies nur einen
bestimmten Zeitraum hindurch bleiben (eine Zeit, die sich aber
auf viele Jahrhunderte erstrecken kann), ein phy-siseher da
gegen wird zu allen Zeiten als Doppelstern erscheinen.
Es ergiebt sich hieraus, wie wichtig es ist, die Messungen
nicht etwa blos nach Verlauf eines langen Zeitraums zu
wiederholen, sondern auch in der Zwischenzeit möglichst zahl
reiche Bestimmungen zu geben. Glücklicherweise wird diese
unsere Unkenntniss für die Praxis der Beobachtungen ohne
Nachtheil bleiben, und die Nachkommen deshalb nicht später
zum Besitz bestimmter und genauer Resultate gelangen; denn