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Vierzehnter Abschnitt.
entstand in sehr früher Zeit die indische Himmelskunde, von
der wir jedoch noch weniger als von der chinesischen wissen,
da noch sehr viele uns erhaltene Sanscrit-Manuscripte des
Uebersetzers und Bearbeiters harren. Aus den Bewegungen,
welche ihre Annalen dem Jupiter und Saturn zuschreiben (für
Jupiter 30° 20' 42", für Saturn 12° 13' 14" jährl.) folgert
Laplace, dass diese Bestimmung dem Jahre 3012 v. Ohr, ange
hören müsse; und auch noch andere Daten sprechen für ein
sehr hohes Alter, Einige neuere Schriftsteller haben ange
nommen, die Inder hätten ihre Himmelskunde den Chinesen
entlehnt. Allein nur die Zahl der Himmelshäuser (28) stimmt
bei beiden Völkern überein; alles Uebrige ist so grundver
schieden, dass ein gleicher Ursprung nicht wohl angenommen
werden kann. Auch führen sie bei den Hindu den Namen
„Mondhäuser“, haben alle dieselbe Ausdehnung und werden
ganz anders angewandt als in China.
Sie besitzen alte, sämmtlich in Versen abgefasste Hegeln
zur Berechnung der Himmelshegehenheiten, namentlich der
Mond- und Sonnenfinsternisse. Major Rennel hat den Versuch
gemacht, nach diesen Regeln eine Einsterniss neuerer Zeit zu
berechnen. Die Arbeit ist ohne allen Vergleich verwickelter
und schwieriger als nach unseren Tafeln, und das Resultat
weniger genau, aber gleichwohl hinreichend scharf, um die
theoretische Richtigkeit der alten Regeln zu beweisen. Aehn-
liche Versregeln hatten sie für die unendlichen Reihen der
Analysis und andere mathematische Ausdrücke.
Zwar gelangten Alexander M. und Seleucus nach Indien,
eine nähere Kenntniss der -wissenschaftlichen Leistungen ward
jedoch damals nicht erlangt; erst die Auffindung des Seeweges
hat uns mit diesen näher bekannt gemacht. — Den Hindus
gehört eine der wichtigsten Entdeckungen an: im 8. Jahrhundert
unserer Zeitrechnung ward dort das Decimalsystem der Zahlen
mit consequent durchgeführtem Stellenwerth entwickelt. Diese
indischen Zahlen gelangten zu den Arabern, und erst durch
diese im 14. und 15. Jahrhundert zu den Europäern, daher
die Benennung arabische Zahlen im Gegensatz zu den früher
allgemein angewandten römischen.
Astronomie der Babylonier (Chaldäer).
Im alten Babylon war die Himmelsforschung das Geschäft
einer Priesterkaste, die durch beharrliche Beobachtungen sich
empirische Regeln abstrahirt hatte und dadurch in den Stand
gesetzt war, einzelne Phänomene, insbesondere Finsternisse, im
Voraus zu bestimmen. Es fehlt nicht an Erzählungen der alten
Schriftsteller über die hohe Wissenschaft der Babylonier; aber