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Vierzehnter Abschnitt.
welcher unverständliche Satz die Buchstaben enthält zu Fol
gendem :
Cynthiae figuras aemulatur mater amorum
womit Galiläi seine Entdeckung der Yenusphasen meint.
Es war seinen Feinden gelungen, ihn beim römischen Hofe
zu verdächtigen; das Copernicani’sehe System bildet den Haupt
anklagepunkt. Er schrieb den Saggiatore, ein Werk, in wel
chem ein Dialog zwischen einem Anhänger des Ptolemäi' sehen
und einem des Copernicani’sehen Systems den Hauptinhalt macht,
und in welchem er jede Entscheidung vermeidet. Er legte
das Werk der römischen Censur vor; das Imprimatur ward
ihm ertheilt, und dennoch gelang es seinen Feinden, ihn darauf
anzuklagen. Er ward in den Inquisitionskerker geworfen; wie
man ihn dort behandelte, bleibt Geheimniss dieses lichtscheuen
Gerichts ; endlich legte man ihm eine Abschwörungsformel vor,
die der gebeugte 70jährige Greis nachsprechen musste. Diese
Formel wenigstens ist glücklicherweise erhalten; sie findet
sich in RicdoWs Almagestum Novum Th. III. p. 499 ff. und
ihre Durchlesung muss Jeden überzeugen, dass die in unserem
Jahrhundert versuchte Behauptung: Galiläi sei nicht wegen
des Copernicani'sehen Systems verurtheilt worden, einfach eine
Lüge ist.
Die Kerkerhaft ward nun in eine Verbannung nach Arcetri
verwandelt. Halberblindet ging Galiläi aus dem Gefängniss
hervor — um weiter zu forschen. Noch eine wichtige Ent
deckung gelang ihm; die Libration der Mondkugel; er machte
sie mit dem letzten Reste seines Augenlichts; bald darauf
ward er völlig blind. „Ich grüble in meiner Finsterniss,“ so
schreibt er einem Freunde, „bald diesem bald jenem Gedanken
nach und kann meinen rastlosen Kopf nicht zur Buhe bringen,
so gern ich es auch möchte.“
Noch zwei Werke über Mechanik und über die Gesetze
der Bewegung sind die Früchte dieser späten Periode. Er
schlug die Jupiterstrabanten, namentlich deren Verfinsterungen,
zu Längenbestimmungen vor. Der 8. Januar 1643 war das
Ende seiner Thaten und seiner Leiden.
Es ist den Feinden des grossen Mannes gelungen, einen
Theil seiner noch nicht gedruckten Schriften zu vernichten,
doch das Meiste ist uns erhalten. Er ist der erste, der das
Experiment zur Grundlage alles Forschens in der Natur
gemacht hat, und dies ist es, was seine Gegner so erbitterte.
Zu welchen Mitteln sie griffen, davon nur ein Beispiel. Ein
Mönch ward angestiftet, eine Predigt über die Schriftstelle: „Viri
Galiläi, quid statis adspicientes in coelum“ zu halten und darin
Galiläi und seine Forschungen auf’s Unwürdigste zu verhöhnen.