Spectral-Analyse.
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Natur des Lichts tiefer zu beschäftigen. Für eine befrie
digende Erklärung der Aberration genügte es zu wissen,
dass der Lichtstrahl im Weltenraume geradlinig verläuft und
zu seinem Wege einer gewissen Zeit bedarf, wie dies schon die
alte sogenannte Emissionstheorie, des Lichtes annimmt. In diesem
Punkte nun gerade unterscheidet sich die neuere Theorie des
Lichtes, die Wellentheorie, auch Undulations- oder Yibrations-
theorie genannt, nicht von der ältern, welche den Vorzug der
Einfachheit geltend machen konnte. (Bei gewissen feineren
Untersuchungen über Aberration muss jedoch ebenfalls die
Wellentheorie berücksichtigt werden).
Nach der Lehre der modernen Physik, die allem Anscheine
nach sich in ihren G-rundzügen für immer behaupten wird,
ist das Licht eine dem Schall analoge Erscheinung und wie
jener eine Folge der Schwingungen elastischer Molecüle. Nur
sind es bei dem Schall die Molecüle der Luft, überhaupt
aber der den Schall erzeugenden oder leitenden Körper,
welche schwingen, hei dem Licht die Aether-Molecüle, welche
den Weltenraum und die durchsichtigen oder leuchtenden
Körper durchdringen. Es bestehen keine wesentlichen und
die Analogie aufhebenden Unterschiede zwischen den Erschei
nungen der Akustik und denen der Optik. Die Anzahl der
Schwingungen eines vibrirenden Molecüls während einer Se-
cunde bestimmt in der Akustik die Höhe des Tons, welchen
unser Ohr vernimmt, in der Optik die Farbe, welche unser
Auge empfindet. Wir hören z. B. das einmal gestrichene c,
wenn eine Clavier-Saite und mit ihr die Molecüle des Beson-
nanzhodens 258,65 Schwingungen in der Secunde ausführen;
wir sehen violettes Licht, wenn die Aethertheilchen zu 800
Billionen Schwingungen hin und her in der Secunde gelangen.
Nach der bekannten Lehre von der Zerlegung oder Zusammen
setzung der Kräfte und Geschwindigkeiten, da nämlich die
Geschwindigkeit des Aethertheilchens bei der Schwingung in
jedem Augenblicke nach zwei zu einander senkrechten Bich
tungen zerlegt werden kann, kommt man leicht zu der für
das Weitere wichtigen Ueberlegung, dass bei der Schwingungs-
hewegung das Molecül eine Bahn um einen bestimmten Mittel
punkt beschreibt, und zwar um denjenigen Punkt, den es
einnehmen würde, wenn es in Buhe wäre, und vor Erregung
des Lichtstrahls wirklich einnahm. Nach dieser Betrachtung
können wir nun auch sagen, die Erscheinung violetten Lichtes
werde hervorgerufen, wenn das Molecül seine Bahn um den
Mittelpunkt in ™ Secunde zurücklegt. Wie hier noch gleich
bemerkt werden mag, besitzt die Physik gewisse Hülfsmittel,
die Bewegung des Aethertheilchens nach einer bestimmten