Full text: Wie Leibniz die Diskontierungsformel begründete

Wie Leibniz die Diskontierungsformel begründete. 
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schon daraus hervor, daß Cantor in seiner „Politischen Arithmetik“ die ge 
nannte Formel unter der Rubrik „Zusammengesetzter Zins“ zur Sprache bringt 1 ). 
Aber diese unbewußte (?) Abweichung von Leibniz hindert Cantor nicht daran, 
rückhaltlos anzuerkennen, daß der in Frage stehenden Diskontierungsformel eine 
ausschließliche Berechtigung zukomme, und zwar mit der Motivierung, daß diese 
Formel die einzige sei, welche bei Anwendung auf verschiedene Aufgaben der 
„politischen Arithmetik“ zu widerspruchslosen Ergebnissen führt. Demgegenüber 
fehle diese Eigenschaft der Formel (20), die deswegen nicht zu gebrauchen sei. 
Das versucht Cantor an den beiden folgenden Beispielen zu demonstrieren. 
1. Beispiel. Jemand nimmt eine Schuld von 12 000 M. zum Jahreszins von 
4 °/ 0 auf. Am Ende des 1. Jahres zahlt er den Zins mit 480 M. und 3000 M. an 
der Schuld ab, so daß eine Restschuld von 9000 M. verbleibt. Am Ende des 
2. Jahres zahlt der Schuldner den Zins mit 360 M. und wieder 3000 M. an der 
Schuld ab, so daß eine Restschuld von 6000 M. bleibt. Am Ende des 3. Jahres 
zahlt der Schuldner den Zins mit 240 M. und 3000 M. an der Schuld ab, so daß 
eine Restschuld von 3000 M. bleibt. Schließlich am Ende des 4. Jahres zahlt der 
Schuldner den Zins mit 120 M. und die letzten 3000 M. an der Schuld. Er ist 
schuldenfrei. Die Zahlungen waren mithin: 
am Ende des 1. Jahres 3480 M. 
„ „ „ 2. „ 3360 „ 
„ » ,, 3- » 3240 „ 
>. >> „ 4- „ 3120 „ 
wodurch eine Anfangsschuld von 12000 M. mit 4% Jahreszins sich als getilgt 
erweist. 
Man müsse, meint Cantor, notwendigerweise die Bedingungen der Auf 
gabe auch umkehren und behaupten können, bei 4 °/ 0 Jahreszins sei 12000 M. 
der Barwert der vier Forderungen 3480 M. nach einem Jahre, 3360 M. nach 
2 Jahren, 3240 M, nach 3 Jahren, 3120 nach 4 Jahren. Jede Diskontierung der 
1) Polititische Arithmetik oder die Arithmetik des täglichen Lebens. Leipzig 1898. S. 32 f. 
Nicht ganz im Einklang mit der Einfügung der Leibnizschen Diskontierungsformel in das Kapitel über den 
zusammengesetzten Zins stehen übrigens Cantors Bemerkungen zu der Polemik von Gottfried August 
Hoffmann gegen Leibniz (Cantor, Geschichte, III, S. 498—505). Hoffmann hatte zuerst das von Leibniz 
befürwortete Diskontierungsverfahren mißverstanden, aber als er auf seinen Irrtum von anderer Seite auf 
merksam gemacht wurde, änderte dies nichts an seiner ablehnenden Haltung diesem Verfahren gegenüber. 
Hoffmann bezeichnete dasselbe als falsch, weil ungesetzlich. Leibniz verlange Zins von den Zinsen und dieses 
sei verboten, man möge sich winden wie man wolle. Cantor erwähnt diesen Angriff Hoffmanns gegen 
Leibniz und nimmt für letzteren Partei (vgl. auch Polit. Arithm. S. 29). In Wirklichkeit hatte aber der 
„Rechtslizentiat“ Hoffmann ganz richtig eingesehen, daß die Leibnizsche Diskontierungsformel auf dem 
Prinzip der Zinseszinsrechnung beruht und daher gegen das Verbot des Anatozismus verstößt.
	        
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