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Ladislaus v. Bortkiewicz,
sitiones ex jure assumtae) aufstellt, deren er sich zur Bestimmung des Diskonts
(interusurium, vulgo Rabat, sive resegmentum anticipationis) bedienen wolle.
Annahme I besteht darin, daß derjenige, von welchem das ge
schuldete Geld vor der Zeit, wo es fällig wird, gefordert wird, seinerseits
berechtigt ist zu fordern, daß ihm aus diesem Grunde für jedes künftige
Jahr des dazwischen liegenden Zeitraums die gesetzlichen Zinsen gezahlt
werden, wobei es irrelevant ist, ob das Geld, welches vorzeitig gezahlt
wird, Kapital oder Zins ist. Denn jeder gezahlte Zins wird Kapital, und es
wäre ungerecht, wenn der Schuldner, welcher die Zinsen vor der Zeit bezahlt,
dafür keine Vergütung bezw. keine Zinsen von dem Gläubiger erhielte. Die Ge
währung solch einer Vergütung habe mit der Berechnung von Zinsen für nicht
rechtzeitig bezahlte Zinsen, mit dem sogenannten Anatocismus, nichts als den
Namen gemein und verstoße gegen das Verbot des Anatocismus so wenig, daß
es im Gegenteil auf eine Überschreitung' der gesetzlichen Norm des Zinsfußes
hinauslaufen würde, wenn der Gläubiger dafür, daß ihm die Zinsen vor dem
Termin gezahlt werden, kein Äquivalent leisten wollte 1 ).
Seine Annahme II faßt Leibniz in die Worte zusammen: „compensatio
est quaedam solutio“ und erläutert diese Worte dahin, daß wenn jemand von
dem Gelde, das er in Empfang nimmt, sich einen bestimmten Betrag'
in Abzug bringen läßt, dies so aufgefaßt wird, als ob er denselben
Betrag zur selben Zeit gezahlt hätte.
Auf diese beiden Annahmen gestützt, geht Leibniz an die Bestimmung
des Diskonts heran, und zwar zunächst für den Fall, wo die betreffende Summe,
die er gleich i setzt, nach i Jahr fällig ist.
Zahlt der Schuldner die Summe i jetzt, statt, wie vereinbart war, nach
i Jahr, so hat ihm dafür der Gläubiger nach Annahme I an Zinsen — zu zahlen;
jedoch müßte diese Zahlung erst nach i Jahr erfolgen. Soll aber, wie es im
Wesen der Aufgabe liegt, daß Geschäft zwischen Gläubiger und Schuldner im
gegebenen Zeitpunkt definitiv erledigt werden, und wird — schon jetzt gezahlt
i) Leibniz sagt wörtlich: „Necreferl, utrum pecunia, quae ante tempus solvitur, sors
sit, an usura. Omnis enim usura soluta fit sors; imo cum usurarum petitio per se odiosa sit, magis odiosa
erit usurarum petitio ante tempus, et qui nihil eo nomine praestare volet, incidet in quandam usurariam pra
vitatem: revera enim plus usurae nomine exiget, quam legibus permissum est, quia tempore quoque plus
petitur. Itaque usurae exactae ob usuras ante tempus praestitas, quae sortis naturam induere, non nisi voca
bulum commune habent cum usuris usurarum non solutarum, quae legibus prohibentur: et tantum abest
negotium in vetitum Anatocismum incidere, ut secus fieri regulariter in leges peccatum videatur; regulariter
inquam, nam exceptiones ex natura negotii personarumque sumi possunt (de quibus alias) quae judicis arbitrio
permittuntur. Nobis autem in calculo ineundo inspiciendum videtur, quod regulare exactumque est.“