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Erster Theil. Differential - Rechnung-,
§ 4. Allgemeine Sätze über den Zusammenhang einer
Function mit ihrem Differentialquotienten.
35. Von einer in dem Intervall (a, ß) der stetigen Yaria-
beln x eindeutig definirten Function fix) sagt man, sie sei
an der Stelle x innerhalb des Intervalls wachsend, wenn sich
eine positive Zahl rj so angeben lässt, dass für jedes 0 <h< V
(1) fix — h) < f{x) < fix + h) .
Besitzt die Function an der Stelle x einen Differentialquotienten,
so kann derselbe nicht negativ sein; denn aus (1) folgt
f{x — Ti) — f(x) ^ n f{x + h) — fix) ^ A
— h ^ h ^ '
mit gegen Null convergirendem h nähern sich die beiden Quo
tienten nach Voraussetzung einer gemeinsamen Grenze und
diese kann nicht negativ sein, weil die Quotienten, wie klein
auch h werden mag, positiv bleiben.
Die Function f(x) heisst dagegen an der Stelle x abneh
mend, wenn sich ein positives rj so angeben lässt, dass für alle
0 <fh<f_7]
(2) f(x — h) > fix) > fix + ä).
In diesem Falle kann der Differentialquotient an der Stelle x,
wenn er existirt, nicht positiv sein; denn aus (2) ergibt
sich, dass
fix — fi) — fix) ^ A fix + h) — fix) ^ 0
— h ^ h "
und da beide Quotienten für lim h = 0 gegen eine gemein
same Grenze convergiren, so kann diese nicht positiv sein,
weil die Quotienten selbst, wie klein auch h werden mag,
negativ bleiben.
An den Stellen a, ß kann nur von einseitigem Wachsen
oder Abnehmen die Rede sein.
Aus diesen Betrachtungen ergibt sich der Satz: Wenn die
Function fix) in dem Intervall {a, ß) beständig wächst oder be
ständig abnimmt und an jeder Stelle einen Fifferentialquotienten
besitzt, so kann dieser niemals negativ, beziehungsweise niemals
positiv sein.
In beiden Fällen ist also nicht ausgeschlossen, dass der
Differentialquotient an einzelnen Stellen Null wird.