8 Erster Teil. Differential-Rechnung.
Wir kehren nun zu dem obigen Beispiel zurück, bei dem
nicht die Gesamtheit der rationalen Zahlen, sondern bestimmte
unbegrenzt fortsetzbare Folgen rationaler Zahlen in Betracht
kommen. Jede der Zahlenreihen (6) und (6') kann als Definition
für die Zahl angesehen werden, welche die Lösung der Auf
gabe bildet, und zwar in 'dem Sinne, daß zwar keine der
Zahlen a n , beziehungsweise d n die Forderung erfüllt, zum
Quadrat erhoben die Zahl A zu geben, daß sie dieser Forde
rung jedoch um so genauer nachkommen, je weiter man in
den Reihen fortschreitet, so daß schließlich der Unterschied
zwischen A und a w 2 , beziehungsweise zwischen a n 2 und A T
kleiner wird und bei weiter zunehmendem n kleiner bleibt als
eine beliebig kleine festgesetzte positive Zahl s. In diesem Sinne
kann man auch sagen, die Zahl, welche die Lösung der Auf
gabe yA gibt, sei der Grenzivert der Zahlenreihe (6) oder der
Reihe (6').
Von dem besonderen hier betrachteten Falle abstrahierend
sagt man von einer Aufgabe, welche zwei Folgen von ratio
nalen Zahlen
«07 «37• «27 • • •
«07 «1 7 «27 • • •
derart voneinander scheidet, daß jede Zahl der einen Folge
kleiner ist als jede Zahl der andern Folge, daß ferner zu
einer beliebig kleinen im voraus gewählten positiven Zahl e
zwei Zahlen aus den beiden Folgen sich bestimmen lassen
derart, daß ihr Unterschied kleiner ist als e, sie bestimme
einen Schnitt und diesem Schnitte entspreche eine Zahl. Jeder
der beiden Folgen kommt die Eigenschaft zu, daß bei be
liebig kleinem s sich n derart bestimmen läßt, daß der Unter
schied a n + v — a n , beziehungsweise a n + v — d n dem Betrage nach
kleiner ist als s für jedes v (= 1, 2, . . .). Eine Folge von
Zahlen dieser Eigenschaft bezeichnet man als Zahlenreihe oder
Fundamentaireihe*) und betrachtet sie als Definition eben der
selben Zahl, welche vorhin dem Schnitt zugeordnet war. Ge
hört diese Zahl nicht dem System der rationalen Zahlen an,
*) E. Heine, Elemente der Funktionentheorie. Journ. f. Math. 74
(1872). — G. Cantor, Mathemat. Annalen 5 (1872) und 21 (1883).