Sechster Abschnitt. Anwendung der Differential-Rechnung usw. 339
bestimmt sein, vermöge deren sowohl y als Funktion von x
wie auch umgekehrt x als Funktion von y aufgefaßt werden
kann; hält man an dem ersteren fest, so kann noch y eine ein
deutige oder eine mehrdeutige Funktion vorstellen; in letzterem
Falle entspricht jedem Zweige der Funktion (57) auch ein
Zweig der Kurve.
Die Untersuchung des Verlaufs einer ebenen Kurve kommt
also vom Standpunkte der Analysis zurück auf die Betrachtung
des Verlaufs einer Funktion einer stetigen Variablen, die ex
plizite oder implizite gegeben ist, oder auf die Betrachtung der
gleichzeitigen Änderungen zweier solcher Funktionen.
Die parametrische Darstellung (1) ist für allgemeine Unter
suchungen die geeignetste. Sie kann aus den beiden anderen
Darstellungsformen gewonnen werden, indem man x einer
passend gewählten Funktion einer Hilfsvariablen u gleichsetzt,
diese in (2), respektive (3) an Stelle von x einführt, wodurch
auch y, explizite und implizite, als Funktion von u gegeben ist.
Umgekehrt ergibt sich aus der parametrischen Darstellung
(1) eine der beiden anderen Darstellungsformen, indem man
zwischen den beiden Gleichungen (1) u eliminiert.
Für die Einteilung der Kurven ist die Gleichungsform
Fix, y) = 0 maßgebend.
Ist Fix, y) eine algebraische Funktion, so heißt die Kurve
algebraisch; insbesondere läßt sich dann immer bewirken, daß
F(x, y) eine ganze Funktion von bestimmtem Grade n sei (13);
alsdann wird die durch die Gleichung dargestellte Kurve eine
algebraische Kurve n-ter Ordnung genannt. Die Ordnung bildet
den wesentlichsten Einteilungsgrund der algebraischen Linien.
Die Gerade als algebraische Linie erster und die Kegelschnitte
als algebraische Linien zweiter Ordnung sind aus den Elementen
der analytischen Geometrie bekannt. Darüber hinaus pflegt
man von höheren algebraischen Linien zu sprechen.
Eine Kurve, deren Gleichung in x, y nicht algebraisch ist,
wird als transzendente Kurve bezeichnet.*) Bei der unüber-
*) Die Einteilung in algebraische und transzendente Kurven stammt
von Descartes, einem der Begründer der analytischen Untersuchungs
methode in der Geometrie; die Namen gab Leibniz. Bis dahin sprach
man, um den Unterschied hervorzuheben, von geometrischen und mecha-