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Erster Teil. Differential-Rechnung.
sind dies im allgemeinen transzendente, in manchen besonderen
Fällen auch algebraische Linien. Für die Technik, insbesondere
für die Theorie und Konstruktion von Bewegungsmechanismen,
sind die Rollkurven von hervorragender Bedeutung.
Das Erzeugungsprinzip in seiner allgemeinsten Fassung
besteht in Folgendem: In einer festen Ebene S, die Trägerin
einer beliebigen Kurve s, der Polbahn, ist, bewegt sich eine
zweite in sich starre Ebene U derart, daß eine in ihr liegende
beliebige Kurve 6, die Polkurve, auf der Polbahn abrollt; jeder
Punkt M von 2J beschreibt dabei in S eine Kurve, die man
eine Pollkurve nennt. Einer momentanen Lage von U entspricht
ein Punkt A als Berührungspunkt von Polbahn und Polkurve,
der momentane Drehpol, und ein Punkt M der Rollkurve.
Ist die Polbahn eine Gerade, die Polkurve ein Kreis, so
nennt man die Rollkurve eine Zykloide, und zwar, je nachdem
der beschreibende Punkt auf dem Kreise selbst, innerhalb oder
außerhalb desselben liegt, eine gemeine, verlängerte oder ver
kürzte Zykloide.*)
Sind Polbahn und Polkurve Kreise, so bezeichnet man die
entstandenen Kurven wohl auch als Trochoiden, häufiger jedoch
auch als Zykloiden, aber mit einem Zusatze, der sich zunächst
nur auf die gegenseitige Lage der beiden Kreise bezieht: liegt
der rollende Kreis (als Linie) außerhalb des ruhenden, so spricht
man von Epizykloiden, dagegen von Hypozykloiden, wenn der
rollende Kreis innerhalb des ruhenden sich befindet. Zu dieser
Haupteinteilung kommt noch eine Untereinteilung, die mit der
Laere des beschreibenden Punktes zum rollenden Kreise zusammen-
o
hängt und zu denselben drei Benennungen führt, die bei den
Zykloiden schlechtweg unterschieden worden sind.
Über diese zwei Hauptgattungen von Rollkurven soll zu
nächst nicht hiuausgegangen werden. Nun zu ihrer analytischen
Darstellung und deren Diskussion.
*) Neben den beiden letzteren Benennungen sind auch die andern:
geschweifte und geschlungene Zykloide in Verwendung (s. G. Scheffers,
Besondere transzendente Kurven, Enzykl. d. mathem. Wissensch., Bd. III 3,
p. 194). Der Name Zykloide wird auf Galilei (1640) zurückgeführt, einen
der ersten, der sich mit der Untersuchung der gemeinen Zykloide be
schäftigte.