Full text: Vorlesungen über Differential- und Integralrechnung (1. Band)

Sechster Abschnitt. Anwendung der Differential-Rechnung usw. 593 
sammenfällt, wenn also die zwei Richtungen in (11*) sich 
vereinigen. Demnach hat jede Linie Ä der Gleichung 
(12) rdx 2 -f 2sdxdy + tdy 2 = 0 
zu genügen; man nennt diese die Differentialgleichung der 
asymptotischen Linien. Gleichzeitig geht aus dieser Betrachtung 
hervor ; daß die Tangenten an eine asymptotische Linie sich 
selbst konjugiert sind. Die Gleichung (12) ist überdies der Aus 
druck einer weitern geometrischen Eigenschaft, wie sich aus der 
folgenden Betrachtung ergibt. 
Der Normalschnitt der Fläche, welcher die Kurve A im 
Punkte M berührt, hat die Krümmung (209, (8)) 
1 r cos 2 «-j-2s cos« cosjS-f-i cos 2 /? 
b Yp% _j_ y -j-1 
laut (12) ist aber 
rcos 2 a -f- 2s cosa cos/3 -f- t cos 2 /3 —0, 
folglich auch 
Eine asymptotische Linie berührt also in jedem Punkte einen 
Normalschnitt von der Krümmung Null. 
Solche Normalschnitte existieren jedoch nur in hyperbo 
lischen und in parabolischen Punkten. 
In einem hyperbolischen Punkte gibt es solcher Norraal- 
schnitte zwei, und ihre Tangenten sind die Asymptoten der 
Dup in sehen Indikatrix (204). Auf einer Fläche oder einer 
Flächenregion mit hyperbolischen Funkten lassen sich also zwei 
Scharen von asymptotischen Linien verzeichnen; in jedem Funkte 
schneiden sich zwei Linien, aus jeder Schar eine, und ihre 
Tangenten sind die Asymptoten der Indikatrix oder die Haupt 
tangenten der Fläche. 
Der letztere Umstand begründet den Namen der asymp 
totischen Linien, neben welchem auch der Name „Haupt 
tangentenkurven“ gebräuchlich ist. 
Die beiden Scharen asymptotischer Linien schneiden sich 
im allgemeinen unter schiefen Winkeln; nur in Punkten, wo 
die Indikatrix aus gleichseitigen Hyperbeln besteht, erfolgt der 
Schnitt rechtwinklig. Es gibt Flächen, wo dies durchwegs 
geschieht; die Wendelfläche ist ein Beispiel dieser Art (214, 2}). 
Czuber, Vorlesimgen. I. 3. Aufl. 38
	        
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