Phoronomische Bedeutung des Differentialquotienten. 97
schnitten gleiche Wege zurückgelegt werden, so stellte der Quotient
f(x + h) —f{x)
h
die Geschwindigkeit, d. i. den in einer von den Zeiteinheiten, in welchen
x und h ausgedrückt sind, beschriebenen Weg dar.
Auf eine ungleichmäßige Bewegung läßt sich dieser Begriff der Ge
schwindigkeit nicht unmittelbar übertragen; der ungeschriebene Quotient
bedeutet nunmehr die während des Zeitintervalls (x, x -f- h) auf die
Zeiteinheit durchschnittlich entfallende Weglänge; je kürzer das Zeit
intervall, umso geringer die Veränderlichkeit der Bewegung während
desselben, umso näher rückt die Bedeutung des Quotienten der einer
Geschwindigkeit; und nähert sich der Quotient hei stetig gegen Null
abnehmendem h einer Grenze, so wird diese,
lim
a = o
f{x + h) —fix)
h *
als die im Augenblicke x herrschende Geschwindigkeit erklärt.
Wenn also /(x) den bei geradliniger Bewegung in der Zeit x zu
rückgelegten Weg ausdrücld, so hat der Differentialquotient /'(x) die Be
deutung der am Ende dieser Zeit herrschenden Geschwindigkeit.
Mit Hilfe des Bewegungsbegriffs kann dem Differentialquotienten
eine bemerkenswerte Deutung gegeben werden. Stellt man sich yor
die Variable x durchlaufe ihr Intervall (cc, ß) gleichmäßig, so durch
läuft die Punktion ihren Bereich im allgemeinen ungleichmäßig; bis
zu dem Zeitpunkte, in welchem die Variable den Wert x, die Funktion
den zugeordneten Wert /(x) angenommen, sei die Zeit t verflossen,
und in dem weiteren Zeitintervall r mögen die Werte x + h und
h
fix + h) zustande kommen; dann ist — = c die Geschwindigkeit, mit
E{cb I Jft\ - E(oc\
welcher x sein Intervall durchläuft, und der Grenzwert von — ■ ■■—
' T
für lim x — 0 die Geschwindigkeit, mit der sich f{x) am Schlüsse
der Zeit t in seinem Bereich bewegt; da nun
f{x + h) —fix)
h"
f{x -f Ti) —fix) fix + li) - f{x)
r r
h e
r
und h mit t gleichzeitig gegen Null konvergiert, so ist der Differential
quotient das Verhältnis der Geschwindigkeiten, mit welchen x und
f{x) sich im gegebenen Augenblicke in ihren Bereichen ändern. Man
kann somit den Satz aufstellen: Der Differentialquotient einer Funktion
f(x) an einer Stelle x ist die Geschwindigkeit, mit der sich die Funktion
Czuber, Höhere Mathematik. ■ 7