allen bezeichnenden Merkmalen den Arraser Erzeugnissen sehr ähnlich. Bei
der Nähe der beiden Zentren und ihrer künstlerischen Verknüpfung kann
uns diese Erscheinung nicht Wunder nehmen. Das Fragment (Abb. 15) der
Sammlung Weinberger in Wien, das uns in höfischem Gewand Personifikationen
psychischer Kräfte in allegorischer Zwiesprach vorführt, Motive aus einem
Darstellungskreis, der in der Gefühls- und Geistesebene des ausgehenden
Mittelalters fest verankert war, zeigt in seiner Gesamtkomposition noch Zu-
sammenhänge mit der Kunst des 14. Jahrhunderts. So in der Unzulänglichkeit
der Perspektive und Raumvorstellung, in der Parallelität der Körperhaltung
der Figuren und in dem mit stilisierten Grasbüscheln und Blätterstauden be-
deckten Rasengrund, der als eine Fortbildung des gleichmäßig gemusterten
Tapetenhintergrundes zu betrachten ist. Als eine Fortbildung mit naturalistischer
Tendenz. Denn in der Mannigfaltigkeit und Individualisierung der Blatt- und
Blütenformen künden sich ebenso wie in der realistischen Wiedergabe der
Zeittrachten die Entwicklungstendenzen des ı 5. Jahrhunderts an.
Einen mächtigen Vorstoß in die Richtung des neuen naturalistischen Stils
bedeuten die wundervollen Bildteppiche des Herzogs von Devonshire (Abb.
16—19), die im zweiten Viertel des ı 5. Jahrhunderts, vermutlich in Tournai,
entstanden sind. Es sind Behänge von gewaltiger Größe, die mit einem über-
quellenden Reichtum prunkvoll gekleideter Figurenmassen ein ganzes Reper-
torium höfischen Jagdvergnügens darstellen: Bären- und Eberjagd, Jagd auf
wilde Schwäne, Enten, Falken, Rehe u.s.w. Deutlich sind Ansätze einer
neuen eindringlicheren Naturbeobachtung zu erkennen. In der Bildung der
Blatt- und Blütenarten, in der Wiedergabe der Modetrachten, in der Indivi-
dualisierung der Stoffe, in der Beobachtung der Bewegungsmotive der Tiere
und Menschen, in der ganzen genremäßigen Auffassung der Szenen. Aber
die Gesamtkomposition läuft noch in den Bahnen mittelalterlicher Tradition.
Nirgends ist der Versuch gemacht, durch straffere Zusammenfassung der Dar-
stellungselemente ein geschlossenes Raumbild zu geben. Ein lebhaft bewegtes
Neben- und Übereinander, ein phantastisches Figurengedränge, ein Horror
vacui, der das ganze Bildfeld bis auf das letzte Plätzchen füllt, verunklärt dem
Beschauer die dargestellten Vorgänge. Auch scheinen diese Werke nicht mehr
so eng mit der Miniaturmalerei zusammenzuhängen, sondern in ihrem
dekorativen Reichtum, in ihrer farbigen Bewegtheit weit mehr die Wirkung
von Wandgemälden anzustreben.
Den Charakter textiler Wandgemälde zeigt auch eine etwas spätere Gruppe
von Tournaiser Bildteppichen, die zum größeren Teil mittelalterliche Dich-
tungen illustrieren. So der Teppich mit. der Geschichte des Schwanritters