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Die Linienperspektive. A. Theorie.
Fig. 2, Taf. VII. Und werden diese Strahlen rückwärts verlängert, so treffen sie bezw.
den N-, den NO- und den NAV-punkt des Horizontes. Fig. 3, Taf. VII.
Anmerkung. Der Kreis in Fig. 2, Taf. VII, ist nicht identisch mit dem Kreise in
Fig. 1, Taf. VII. Dieser stellt die Grenze der (als das Himmelsgewölbe noch erreichend ge
dachten) Grund-, jener aber die Grenze der (als bloss bis zum Himmelsgewölbe sich erstreckend
gedachten) Horizontebene, also den Horizont selbst dar. Diese „Ebenen“ sind in Fig. 6a,
Taf. V 1 ', in ihren wirklichen Höhenlagen und in Fig. 3, Taf. VII, als sich deckende Ebenen
veranschaulicht worden.
AVir haben hiermit den AVeg entdeckt, auf dem die Verschwindepunkte eines
Systems nach dem Auge des Beschauers zu ermitteln sind; nämlich:
Legt man durch das Auge des Beschauers eine Parallele zu
dem gegebenen System, so durchstösst sie das Himmelsgewölbe in
den dem Systeme zugehörigen Verschwindepunkten. Fig. 3, Taf. VII.
Da diese Parallele einem rückwärts verlängerten Sehstrahle des Beschauers
vergleichbar ist, so hat man ihr den Namen Parallelstrahl gegeben.
Es hat sonach das eine mögliche senkrechte System einen senkrechten,
jegliches wagerechte System einen wagerechten und jegliches schräge System
einen schrägen Parallelstrald. — Ist uns eine Linie ihrer .Richtung nach bekannt,
so kennen wir auch ihren Parallelstrahl; er ist jener Linie parallel und passiert das
Auge des Beschauers. Kennen wir aber ihren Parallelstrahl, so wissen wir wieder
Bestimmtes über die Lage ihrer Verschwindepunkte; sie liegen zweifellos da, wo jener
— der zugehörige — Parallel strahl ejas Himmelsgewölbe schneidet. — Sonach sind
die Verschwindepunkte abhängig von dem zugehörigen Parallelstrahl; und dieser wieder
hängt ab von der Richtung der mit ihm Verschwindenden und von der Lage des Auges
des Beschauers.
Verschwindepunkte, wie wir sie bis jetzt kennen gelernt haben, Verschwincler
punkte also, die draussen am Himmelsgewölbe liegen, werden Verschwindepunkte
der Wirklichkeit genannt. A r on ihnen sind zu unterscheiden die Verschwindepunkte
der Bildfläche.
Die Bildfläche ist, wie erwähnt, die zur Aufnahme der perspektivischen Dar
stellung bestimmte materielle Fläche. Ihre Gestalt ist in der Regel die eines Rechteckes.
Diese Bilddäche haben wir uns in passender Grösse auf der Grundebene lotrecht
derart zwischen den abzubildenden Objekten und dem Beschauer aufgestellt zu denken,
dass sie diesem möglichst fern, jenen aber thunlichst nahe steht, Fig. 4, Taf. VII;
und es heisst die Linie, in der die Bildfläche auf der Grundebene aufsitzt, die Grund
linie der Bildfläche. Fig. 6a, Taf. V.
Anmerkung. Fig. 4, Taf. VII, zeigt von allem, was wir uns vorzuslellen haben —
von Grundebene, Ackei furchen, Beschauer, Horizontebene, Parallelstrahlen, Horizont,
Verschwindepunkten und Bildfläche — den Grundriss. Demzufolge dürfen wir ihre
Einzelheiten bezeichnen als Grundriss der Grundebene, Grundrisse der Ackerfurchen, Grund
riss des Beschauers, Grundriss der Ilorizontebene, Grundrisse der Parallelstrahlen, Grundriss
des Horizontes, Grundrisse der Verschwindepunkte und Grundriss der Bildfläche. Diese
sämtlichen verschiedenen Grundrisse hat man nur beim Üben der strengsten konstruktiven
Perspektive nötig. Mit wachsendem „perspektivischen“ Verständnis darf einer nach dem
andern fortgelassen und schliesslich ohne sie alle operiert werden. — Die durch sie dargestellten
') Fig. 7, Taf. V, stellt einen Würfel in schiefwinkliger Parallelprojektion dar. Eine eben
solche Darstellung ist Fig. 6a, Taf. V.