Full text: Einführung in die höhere Mathematik

Abbildung der reellen Zahlen. 
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15. Beeile Zahlen. Die positiven und negativen rationalen 
und die positiven und negativen irrationalen Zahlen machen zusammen 
das System der reellen Zahlen aus. Jeder seiner Zahlen ist durch die 
Festsetzungen über das „größer, kleiner“ eine bestimmte Stellung 
gegenüber jeder andern angewiesen, das System ist wohlgeordnet. 
Das System der reellen Zahlen bildet einen Zahlkörper, welcher 
den der rationalen Zahlen als Teil umschließt. 
Die Abbildung des Systems der reellen Zahlen auf eine gerade 
Linie ist geeignet, die Vorstellung von demselben schärfer und klarer 
zu machen, als dies durch die arithmetischen Betrachtungen allein 
möglich ist. Sie besteht in folgendem. 
Man teile die unbegrenzt gedachte Gerade durch einen Punkt, 
dem man die Zahl 0 zuordnet, in zwei Strahlen und bestimme den 
einen (den rechten) als Träger der positiven, den andern (den linken) 
als Träger der negativen Zahlen. Ferner wähle man eine Strecke 
als Darstellung der Einheit. 
Einem Punkte A, der in der Geraden angenommen wird, läßt 
sich immer eine bestimmte Zahl aus unserem System zuordnen. 
Trägt man die Einheitsstrecke von 0 gegen A hin wiederholt 
ab, so kann es geschehen, daß der Endpunkt der a-ten Abtragung in 
den Punkt A fällt: dann entspricht diesem die ganze Zahl -f a oder 
— a, je nachdem er rechts oder links von 0 liegt. 
Tritt dieser Fall nicht ein, kann man jedoch eine natürliche 
Zahl h angeben, derart, daß der &-te Teil der Einheitsstrecke bei 
a-maligem Abtragen von 0 gegen A hin genau zu dem Punkt A 
führt: so entspricht diesem der Bruch -j- ~ oder — y je nach der 
Lage von A gegen 0. 
Ereignet sich auch dieser Fall nicht, — und daß es Punkte auf 
der Geraden gibt, die durch keine Teilung der Einheit in gleiche 
Teile erreicht werden können — dafür gibt die Geometrie Beispiele in 
beliebiger Zahl *) —, so kann durch systematisch fortgesetzte Teilung 
(etwa Dezimalteilung) eine Fundamentalreihe konstruiert werden, und 
diese bestimmt dann die zu A gehörige irrationale Zahl. 
Daß auch umgekehrt jeder reellen Zahl ein bestimmter Punkt 
der Geraden entspricht, läßt sich in bezug auf irrationale, d. h. durch 
Fundamentalreihen allein darstellbare Zahlen nicht beweisen, sondern 
wird axiomatisch angenommen. 1 2 ) 
Im Grunde dieses Axioms ist aber dem System der reellen Zahlen 
dieselbe Eigenschaft zuzuschreiben, die der Geraden in bezug auf ihre 
1) Das frühest erkannte Beispiel dürfte das der Quadratdiagonale in bezug 
auf die Quadratseite sein. 
2) Auf die Notwendigkeit dieses Axioms für den Aufbau der Theorie der 
irrationalen Zahlen hat G. Cantor 1872 (Mathem. Ann. Y) hingewiesen.
	        
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