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Erläuterungen zur vorstehenden Abhandlung.
In der vorstehenden Abhandlung, mit der die arithmetische Theorie der
algebraischen Funktionen geschaffen wurde, zerfällt der Aufbau der Theorie in
drei Stufen. Der erste, formale Teil bezieht sich auf den Bereich der ganzen und
gebrochenen algebraischen Funktionen einer Unbestimmten; im zweiten Teil bildet
die arithmetisch definierte, absolute Riemannsche Fläche die Grundlage. Der
dritte Teil — der nur am Schluß des Vorworts erwähnt, aber nicht erschienen
ist — sollte von der arithmetischen zur topologischen absoluten Riemannschen
Fläche übergehen: ein Begriff, der auf anderer Grundlage erst mehr als dreißig
Jahre später in der Weylschen „Idee der Riemannschen Fläche“ entwickelt
wurde. Es verdient daher besonders hervorgehoben zu werden, daß (§ 16) scharf
darauf hingewiesen ist, daß die absolute Riemannsche Fläche ein zu dem Körper
gehöriger invarianter Begriff ist, von dem aus sich der Übergang zur
Riemannschen Auffassung vollziehen läßt.
Der erste Teil läßt sich dadurch charakterisieren, daß der algebraische Funk
tionenkörper als hyperkomplexes System über dem Grundkörper der rationalen
Funktionen einer Unbestimmten betrachtet wird. Tatsächlich sind die Methoden zur
Definition von Norm, Spur, Diskriminante usw. diejenigen der Darstellungstheorie
hyperkomplexer Systeme; die Betrachtungen aus § 6 und § 22 etwa sind solche
über reduzible Darstellungen.
Die um die absolute Riemannsche Fläche sich gruppierenden Entwick
lungen des zweiten Teils — insbesondere die Begriffe des „Punktes“ und des
„Divisors“ (Polygons) — sind allgemeiner bekannt geworden durch das Buch
von Hensel-Landsberg, wo aber die idealtheoretischen Grundlagen des ersten
Teils durch funktionentheoretische ersetzt sind. Hensel-Landsberg führen die
Gruppe aller ganzen und gebrochenen Divisoren ein, was Vereinfachungen beim
Beweis des Riemann-Rochschen Satzes nach sich zieht. Der einfachste Beweis
ergibt sich aber erst, wenn man die bei Dedekind-Weber, §22, gegebene
Konstruktion der Normalbasis auf gebrochene Ideale überträgt, und dann nach
Hensel-Landsberg weiter schließt.
Die wesentlichsten Entwicklungen von Hensel-Landsberg wurden von
Jung (Rend. Palermo 26, und spätere Arbeiten) auf algebraische Punktionen
körper von zwei Veränderlichen übertragen. Eine rein arithmetische Begründung
der Divisoren, die erst nach Weiterentwicklung der Idealtheorie möglich war,
wurde von Schmeidler (Math. Zeitschr. 28) und v. d. Waerden (Math. Ann. 101)
für n Veränderliche gegeben. Es handelt sich dort immer um Divisoren der
Höchstdimension; arithmetische Definition und Existenzbeweis für den allgemeinen
invarianten Punktbegriff bei algebraischen Mannigfaltigkeiten findet sich bei
v. d. Waerden (Math. Ann. 97).
Noether.