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genommen. Die algebraischen Untersuchungen von Gauß im Gebiete
der Kreisteilung bedurften schon einiger, wenn auch sehr elementarer
Hilfssätze aus der Zahlentheorie; bald aber zeigte es sich, daß um
gekehrt die Kreisteilung zu einer unerschöpflichen Quelle wurde, aus
welcher immer neuer und bedeutender Gewinn für die Zahlentheorie
ausströmte. Man kann sagen, daß fast alle späteren Fortschritte,
welche die Zahlentheorie unter den Händen von Gauß, Jacobi,
Dirichlet, Eisenstein, Kummer, Kronecker gemacht hat,
entweder der Kreisteilung geradezu ihre Entstehung verdanken oder,
was in einigen Fällen noch merkwürdiger war, in einen vorher un
geahnten Zusammenhang mit der Kreisteilung traten. Zu diesen
letzteren Fortschritten gehören die Untersuchungen von Gauß und
Dirichlet über die Klassenanzahl der quadratischen Formen, zu den
ersteren die Erweiterung des Begriffes der ganzen Zahl durch Gauß,
deren Verallgemeinerung später zu der Schöpfung der idealen Zahlen
durch Kummer geführt hat.
Es ist nun zu verwundern, daß trotz der soeben kurz geschil
derten Rolle, welche die Kreisteilung in der Geschichte der neueren
Mathematik spielt, und trotz der großen Berühmtheit, deren sie sich
vor anderen, mindestens ebenso tiefsinnigen Schöpfungen von Gauß
zu erfreuen hat — man denke nur an das Siebenzehneck —, es ist
zu verwundern, daß trotzdem kein Lehrbuch erschienen ist, in welchem
die Kreisteilung mit voller Berücksichtigung des teils von Gauß,
teils von seinen Nachfolgern durchforschten Details als ein abgerun
detes Ganzes dargestellt ist. Es ist daher ein höchst dankenswertes
Unternehmen des Verfassers, durch das vorliegende Werk diese
empfindliche Lücke in unserer mathematischen Literatur auszufüllen,
und ich freue mich, hinzufügen zu können, wofür allerdings schon
sein Name hinreichende Bürgschaft leistet, daß er dieses Unternehmen
in vortrefflicher Weise ausgeführt hat. Für jeden, der ein tieferes
Studium der Algebra und ihrer Beziehungen zur Zahlentheorie beab
sichtigt, wird dieses Werk den besten Führer abgeben, weil es ihn
ohne Voraussetzung großer Vorkenntnisse in die Mitte eines überaus
reichen und bisher nicht leicht zugänglichen Stoffes einführt, in
welchem man durchaus orientiert sein muß, wenn man zu höheren
Untersuchungen fortschreiten will.
Ich erlaube mir nun, im folgenden eine Reihe von Bemerkungen
mitzuteilen, zu welchen mich einzelne Stellen oder auch ganze Ab