430
matisieren, d. h. einige derselben als logische Konsequenzen andrer
darzustellen, bildet der Systematiker gewisse Begriffe, z, B. die der
Rechtsinstitute, welche als Definitionen in die Wissenschaft eintreten,
und mit deren Hilfe er imstande ist, die aus der unendlichen Mannig
faltigkeit des Einzelnen erkennbaren allgemeinen Wahrheiten aus
zusprechen. Diese Wahrheiten wirken aber selbst wieder auf die
Bildung der Definitionen zurück. So zeigt sich wohl, daß die aus
irgendeinem Motive eingeführten Begriffe, weil sie anfangs zu be
schränkt oder zu weit gefaßt waren, einer Abänderung bedürfen,
um ihre Wirksamkeit, ihre Tragweite auf ein größeres Gebiet er
strecken zu können. Dieses Drehen und Wenden der Definitionen,
den auf gefundenen Gesetzen oder Wahrheiten zuliebe, in denen sie
eine Rolle spielen, bildet die größte Kunst des Systematikers.
Es ist wohl überflüssig, analoge Verhältnisse in noch andern Wissen
schaften nachzuweisen; daß die weitere Entwicklung einer jeden Wissen
schaft immer wieder auf das System, durch welches man ihren Organismus
aufzufassen sucht, neubildend zurückwirkt, ist nicht allein eine histo
rische Tatsache, sondern beruht auch auf einer innern Notwendigkeit.
Auch die Mathematik, von der man behauptet, daß sie von allen
Wissenschaften sich der größten Evidenz erfreue, macht keine Aus
nahme von diesem allgemeinen Gesetze, wenn auch es sich in ihr auf
ganz andre Weise zeigt wie in andern. Auch ihre Definitionen
treten anfangs notwendig in beschränkter Form auf, und erst durch
weitere Entwicklung ergibt sich die Verallgemeinerung derselben.
Aber, und dadurch unterscheidet sich die Mathematik rücksichtlich
dieses Verhältnisses von andern Wissenschaften, diese Erweiterungen
der Definitionen lassen der Willkür keinen Raum mehr, sondern sie
folgen mit zwingender Notwendigkeit aus den frühem beschränkten,
wenn man dabei den Grundsatz anwendet, Gesetze, welche aus den
anfänglichen Definitionen hervorgehen und charakteristisch für die
durch sie bezeichneten Begriffe sind, als allgemeingültig anzusehen;
dann werden umgekehrt diese Gesetze die Quelle der verallgemeinerten
Definitionen, wenn man fragt; Wie muß die allgemeine Definition
gefaßt werden, damit dem gefundenen charakteristischen Gesetze stets
Genüge geschieht? — Dieses Prinzip der Induktion an einigen Bei
spielen durchzuführen, ist jetzt meine Absicht.
Die Elementararithmetik geht aus von der Bildung der Ordinal-
und Kardinalzahlen; der sukzessive Fortschritt von einem Gliede der