Full text: Gesammelte mathematische Werke (3. Band)

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matisieren, d. h. einige derselben als logische Konsequenzen andrer 
darzustellen, bildet der Systematiker gewisse Begriffe, z, B. die der 
Rechtsinstitute, welche als Definitionen in die Wissenschaft eintreten, 
und mit deren Hilfe er imstande ist, die aus der unendlichen Mannig 
faltigkeit des Einzelnen erkennbaren allgemeinen Wahrheiten aus 
zusprechen. Diese Wahrheiten wirken aber selbst wieder auf die 
Bildung der Definitionen zurück. So zeigt sich wohl, daß die aus 
irgendeinem Motive eingeführten Begriffe, weil sie anfangs zu be 
schränkt oder zu weit gefaßt waren, einer Abänderung bedürfen, 
um ihre Wirksamkeit, ihre Tragweite auf ein größeres Gebiet er 
strecken zu können. Dieses Drehen und Wenden der Definitionen, 
den auf gefundenen Gesetzen oder Wahrheiten zuliebe, in denen sie 
eine Rolle spielen, bildet die größte Kunst des Systematikers. 
Es ist wohl überflüssig, analoge Verhältnisse in noch andern Wissen 
schaften nachzuweisen; daß die weitere Entwicklung einer jeden Wissen 
schaft immer wieder auf das System, durch welches man ihren Organismus 
aufzufassen sucht, neubildend zurückwirkt, ist nicht allein eine histo 
rische Tatsache, sondern beruht auch auf einer innern Notwendigkeit. 
Auch die Mathematik, von der man behauptet, daß sie von allen 
Wissenschaften sich der größten Evidenz erfreue, macht keine Aus 
nahme von diesem allgemeinen Gesetze, wenn auch es sich in ihr auf 
ganz andre Weise zeigt wie in andern. Auch ihre Definitionen 
treten anfangs notwendig in beschränkter Form auf, und erst durch 
weitere Entwicklung ergibt sich die Verallgemeinerung derselben. 
Aber, und dadurch unterscheidet sich die Mathematik rücksichtlich 
dieses Verhältnisses von andern Wissenschaften, diese Erweiterungen 
der Definitionen lassen der Willkür keinen Raum mehr, sondern sie 
folgen mit zwingender Notwendigkeit aus den frühem beschränkten, 
wenn man dabei den Grundsatz anwendet, Gesetze, welche aus den 
anfänglichen Definitionen hervorgehen und charakteristisch für die 
durch sie bezeichneten Begriffe sind, als allgemeingültig anzusehen; 
dann werden umgekehrt diese Gesetze die Quelle der verallgemeinerten 
Definitionen, wenn man fragt; Wie muß die allgemeine Definition 
gefaßt werden, damit dem gefundenen charakteristischen Gesetze stets 
Genüge geschieht? — Dieses Prinzip der Induktion an einigen Bei 
spielen durchzuführen, ist jetzt meine Absicht. 
Die Elementararithmetik geht aus von der Bildung der Ordinal- 
und Kardinalzahlen; der sukzessive Fortschritt von einem Gliede der
	        
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