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Braunschweig, 8. November 1878.
... Dein Aposteltbum für die Stetigkeit und Irrationalität freut
mich; die Verbindung mit der Darstellung von Heine (oder vielmehr
Cantor) habe ich am Schluß von §. 6 auch empfohlen; die Abkürzung,
die man dadurch erreicht, ist aber nicht beträchtlich, und ich glaube
jetzt sogar, daß für Schüler, die von Grenzwerthen veränderlicher
Größen noch Nichts wissen, meine Definition der Summe, Differenz u. s. w.
leichter zu begreifen ist und bei gehörigem Vortrage überhaupt gar
keine Schwierigkeit darbietet. Ich bin in der That so optimistisch
zu glauben, daß auch auf den Gymnasien die Arithmetik streng gelehrt
werden kann; denn bisher giebt der betreffende Unterricht eigentlich
nur ein ausgezeichnetes Beispiel davon, mit w r elcher Leichtigkeit man
die Schüler betrügen kann, sobald man den Muth hat, auf den Ge
brauch der Logik zu verzichten. Ein herrliches Bildungsmittel, um
die geistigen Fähigkeiten der Jugend zu entwickeln, diese Arithmetik,
wie sie gelehrt wirdl Fick hat neulich eine Lanze für die Real
schulen gebrochen, aber über den Werth des mathematischen Gym
nasialunterrichts denke ich anders als er, und vielleicht schreibe
ich nächstens mal darüber. ...
Braunschweig, 19. November 1878.
... Es freut mich sehr, daß das Thema des Arithmetik-Unterrichts
auf Gymnasien Dich so sehr interessirt, und ich glaube, daß wir
bei mündlicher Unterhaltung darüber uns einigen werden. Das Buch
von Schröder kenne ich genau; es ist nicht für die Schüler,
sondern für den Lehrer bestimmt; es soll kein Lehrbuch sein. Es
enthält sehr viel Gutes, aber auch viel Überflüssiges. Ich will den
Köpfen der Schüler gewiß nicht mehr zumuthen, sondern weniger.
Von Stetigkeit braucht gar nicht die Rede zu sein; aber die Schüler
müssen einen deutlichen Überblick über das Gebiet der Zahlen, zu
nächst der rationalen Zahlen gewinnen; die Unterscheidung nach
Größer und Kleiner (durch Subtraction) muß ihnen in Fleisch und
Blut übergehen. Dann sind sie vollkommen vorbereitet für das Irra
tionale. Und hier sind wir, wenn ich Deinen Brief richtig verstehe,
vielleicht verschiedener Meinung. Du schreibst: „Ich kann dann auch
nichts Falsches darin sehen, wenn man z. B. sagt V 2 suchen heißt