148
Elfter Abschnitt.
und des Auges verrichtet werden; sondern bloß von sol
chen, die in der Vorstellung vorgenommen werden.
Incommensurabilität ist daher keine solche Eigenschaft
der Größen, welche dem Auge sichtbar, oder der Hand
fühlbar gemacht werden könnte. Sie ist eine Idee,
die nur dem Verstände begreiflich, aber nicht den äuße
ren Sinnen anschaulich ist. Für diese giebt es nichts
incommensurables, da schon der tausendste Theil eines
Zolles kaum noch als ein Punkt dem Auge wahrnehm
bar ist; obgleich daraus nicht geschlossen werden darf,
daß die Länge eines Zolles an sich nicht in noch viel
mehr Theile theilbar sei, und von einem absolut voll
kommenen Auge bis ins Unendliche getheilt werden
könnte. Die Vernunft des Menschen reicht weit über
die Gränzen hinaus, in welche die Beschränktheit unse
rer körperlichen Sinne eingeschlossen ist.
§.5. Erklärung.
Wenn man von zwei incommensurablen Größen, A
und B, die eine, A, zur Einheit annimmt, so nennt man
die Zahl, wodurch die andere, B, aus dieser Einheit aus
gedrückt werden soll, eine irrationale Zahl.
Eine solche Zahl kann nie genau dargestellt wer
den, doch kann der Fehler derselben kleiner gemacht
werden, als jede gegebene Größe.
Das deutlichste Beispiel irrationaler Zahlen geben die Qua-
dratwurzeln aus unvollkommenen Quadratzahlen, oder über-
Haupt die Wurzeln jeder Ordnung aus unvollständigen Po-
tenzzahlen.
Irrationale Zahlen verwechsle man nicht mit solchen Quotien-
- ten, welche in Deeimalbrüchen niemals ohne Fehler ausge-