Full text: Abhandlungen (1888 - 1902) und Reden (3. Band)

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REDE AM 3. AUGUST 1900. 
bei der Betrachtung der Abhängigkeit veränderlicher Grössen, dieselben nicht 
auf sogenannte reale Werthe beschränkte, sondern vielmehr die allgemeinen 
complexen Werthe in Betracht zog. Auf Schritt und Tritt kann man diese 
Behauptung in der Analysis dieser Zeit nachweisen. Ich muss mich jedoch 
hier damit begnügen, dieses an einigen den Elementen der Analysis ent 
nommenen Beispielen zu erläutern. 
Sind zwei veränderliche Grössen in algebraischer Abhängigkeit von ein 
ander, und verlangt man, dass die eine der Veränderlichen durch den Zu 
sammenhang mit der anderen jeden beliebigen realen Werth erziele, so ist 
dieses im allgemeinen nicht möglich, so lange der Werthbereich dieser anderen 
Veränderlichen dem realen Gebiete angehört; dieses wird vielmehr erst da 
durch möglich, dass man dieser Veränderlichen gestattet, die reale Axe zu 
verlassen und sich frei in der ganzen Ebene zu ergehen. Das Gleiche nehmen 
io] wir, um bei den elementaren Functionen zu verbleiben, bei den trigono 
metrischen Functionen Sinus und Cosinus wahr. Man erzielt für dieselben 
nur einen realen Werthbereich, der, vom Zeichen abgesehen, nicht grösser 
ist als Eins, so lange die unabhängige Variable nur reale Werthe durchläuft, 
während die Gesammtheit aller übrigen realen Werthe für jene Functionen 
erst hervorgerufen wird, wenn man für die unabhängige Veränderliche com- 
plexe Werthe zulässt. 
Es ist hier jedoch am Platze hervorzuheben, dass eine ähnliche Er 
scheinung zu Tage tritt, auch wenn man für die functionalen Beziehungen 
zwischen zwei Veränderlichen durchweg das Gesammtgebiet der complexen 
Grössen zulässt. Die Entwickelung der Analysis des XIX. Jahrhunderts hat 
zu Functionen einer complexen Variabein geführt, bei welchen die Gesammt 
heit aller complexen Werthe der unabhängigen Veränderlichen nur zu einem 
beschränkten complexen Werthbereich der abhängigen Veränderlichen führt. 
Es darf sogar wohl behauptet werden, dass diese Eigenschaft der Mehrzahl 
derjenigen Functionen zukommt, welche durch Differentialgleichungen definirt 
werden. Man könnte nun auf den Gedanken kommen, diesem Mangel durch 
Einführung neuer Grössen, denen die complexen Grössen untergeordnet sind, 
abzuhelfen, in der Hoffnung, für die Functionswerthe dadurch die ganze Ebene 
frei zu machen, dass die unabhängige Veränderliche auf das Gebiet jener neuen 
Grössen ausgedehnt wird. Allein da, wie schon erwähnt, allgemeinere Grössen
	        
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