Full text: Abhandlungen (1888 - 1902) und Reden (3. Band)

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REDE AM 3. AUGUST 1900. 
werth. Man erwäge nur, dass der grösste Theil der Aufgaben der xÄnalysis 
selbst, sowie die Aufgaben der Mechanik und Physik auf Differential 
gleichungen führen, dass also das Schicksal dieser Aufgaben von der ratio 
nellen Entwickelung der Theorie der Differentialgleichungen abhängt. 
Wohl können wir, mit Rücksicht auf die Schwäche und die Unzulänglich 
keit unserer menschlichen Kraft, mit einer gewissen Genugthuung auf das 
zurückblicken, was auf dem Gebiete der Theorie der Differentialgleichungen 
im XIX. Jahrhundert geleistet worden ist. Wir dürfen jedoch unser Auge 
nicht vor der Erkenntniss verschliessen, dass wir erst den Eingang in ein 
grosses Reich der Wissenschaft erzwungen haben, dass die gethane Arbeit 
verschwindend klein ist gegenüber der Arbeit, welche uns und zukünftigen 
Geschlechtern zu thun noch übrig bleibt. 
23] Dieses Endergebnis eines Rückblickes auf einen besonderen Theil der 
mathematischen Wissenschaft wird sich als das Resultat meines Rückblickes 
auf jede wissenschaftliche Disciplin wiederholen, die Erkenntniss nämlich von 
der Unendlichkeit der Wissenschaft und das sich Bewusstwerden des be 
scheidenen Maasses des bereits Errungenen im Verhältnis zur Unendlichkeit 
der noch zu lösenden Aufgaben. Dieses Bewusstsein, meine werthe Commi- 
litonen, die Sie dazu berufen sind, in einer kommenden Generation die 
Führung in der wissenschaftlichen Arbeit zu übernehmen, ist weit davon 
entfernt, Sie zu entmuthigen. Wenn dieses Bewusstsein dazu angethan ist, 
in Ihnen die Bescheidenheit wach zu erhalten, so wird dasselbe auch stets 
die Pietät gegen die Männer wach erhalten, welche vor Ihnen nach ihren 
Kräften der Wissenschaft gedient haben. Diese Pietät aber wird Ihnen stets 
ein Sporn sein, gleich jenen nicht in dem Streben zu ermüden, mit allen 
Ihren Kräften die menschliche Erkenntniss schrittweise zu fördern. 
ANMERKUNG. 
Änderung gegen das Original. 
S. 422, Zeile 1 und 2 v. u. heisst der Text im Original: 
Die Lage und die Geschwindigkeit der Bewegung eines schweren Punktes auf einem 
vertikalen Kreise (der sogenannten Pendelbewegung). R. F.
	        
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