GAUSS AN DIR1CHLET.
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Es ist mir eine um so erfreulichere Erscheinung, dass Sie mit grosser Nei
gung demjenigen Theile der Mathematik anhängen, der von jeher mein Lieblings
studium gewesen ist, je seltener dieselbe ist. Ich wünsche Ihnen herzlich eine
äussere Lage, wo Sie soviel als möglich Herr Ihrer Zeit und der Wahl Ihrer Ar
beiten bleiben. Ich selbst wurde gleich nach dem Erscheinen meiner Disquisi
tiones durch andersartige Beschäftigungen, und später, durch meine äussern Ver
hältnisse sehr gehindert, meiner Neigung in dem Maasse nachzuhängen wie ich
gewünscht hätte. Anstatt eines zweiten Theils jenes Werks, den ich früher be
absichtigte, werde ich mich aller Wahrscheinlichkeit nach darauf beschränken
müssen, von Zeit zu Zeit ein Memoire über einen einzelnen Gegenstand zu liefern.
Die drei Abhandlungen dieser Art, die bisher im 16. Band der hiesigen Commen-
tationen, und im ersten und vierten der Commentationes recentiores erschienen
sind, enthalten aber (einen Theil der zweiten abgerechnet) keine von den Gegen
ständen, die ich schon 1801 zur Fortsetzung im Auge hatte, sondern neue; und
so beziehen sich auch meine spätem Arbeiten dieser Art gleichfalls auf einen
neuen Gegenstand, namentlich die Theorie der Biquadratischen Reste, die ich
etwa in drei Abhandlungen zu geben denke; die erste davon wird in kurzem für
den sechsten Band der Comment. rec. gedruckt werden, und die Hauptmateria
lien für das Uebrige sowie für die ähnliche Theorie der cubischen Reste, ist, ob
gleich noch wenig davon ordentlich zu Papier gebracht ist, im Wesentlichen als
abgemacht zu betrachten.
Empfehlen Sie mich gefälligst dem Herrn von Humboldt , falls er noch in
Paris ist, und entschuldigen mich, dass ich jetzt nicht an ihn selbst schreibe, mit
der Besorgniss, dass mein Brief ihn nicht treffen möchte, da er, wie ich höre,
Paris zu verlassen die Absicht hatte.
Mit aufrichtiger Hochschätzung
Ihr ergebenster
Göttingen den 13. September 1826. C. F. Gaüss.