Full text: [Wahrscheinlichkeitsrechnung und Geometrie] (4. Band)

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aus den Beobachtungen durch Rechnung ableiten. Freilich werden jene Werthe 
auch nur näherungsweise richtig sein, in so fern die Beobachtungen es waren: 
allein die Wahrscheinlichkeitsrechnung hat nichts dabei zu thun, als die Uusicher- 
heit jener Bestimmungen zu würdigen, indem sie die der Beobachtungen voraus- 
setzt. Ist die Anzahl der unbekannten Grössen grösser als die der Beobachtun 
gen, so lassen sich jene aus diesen noch gar nicht bestimmen. Allein wenn die 
Anzahl der unbekannten Grössen kleiner ist, als die der Beobachtungen, so ist 
die Aufgabe mehr als bestimmt: es sind dann unendlich viele Combinationen mög 
lich , um aus den Beobachtungen die unbekannten Grössen abzuleiten, die frei 
lich alle zu einerlei Resultaten führen müssten, wenn die Beobachtungen absolute 
Genauigkeit hätten, aber unter den obwaltenden Umständen mehr oder weniger 
von einander abweichende Resultate hervorbringen. Aus dieser ins Unendliche 
gehenden Mannichfaltigkeit von Combinationen die zweckmässigste auszuwählen, 
d. i. diejenige, wobei die Unsicherheit der Resultate die möglich kleinste wird, 
ist unstreitig eine der wichtigsten Aufgaben bei der Anwendung der Mathematik 
auf die Naturwissenschaften. 
Der Verfasser gegenwärtiger Abhandlung, welcher im Jahr 17 97 diese Auf 
gabe nach den Grundsätzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung zuerst untersuchte, 
fand bald, dass die Ausmittelung der wahrscheinlichsten Werthe der unbekannten 
Grösse unmöglich sei, wenn nicht die Function, die die Wahrscheinlichkeit der 
Fehler darstellt, bekannt ist. In so fern sie dies aber nicht ist, bleibt nichts 
übrig, als hypothetisch eine solche Function anzunehmen. Es schien ihm das 
natürlichste, zuerst den umgekehrten Weg einzuschlagen und die Function zu 
suchen, die zum Grunde gelegt werden muss, wenn eine allgemein als gut aner 
kannte Regel für den einfachsten aller Fälle daraus hervorgehen soll, die nemlich, 
dass das arithmetische Mittel aus mehreren für eine und dieselbe unbekannte 
Grösse durch Beobachtungen von gleicher Zuverlässigkeit gefundenen Werthen 
als der wahrscheinlichste betrachtet werden müsse. Es ergab sich daraus, dass die 
Wahrscheinlichkeit eines Fehlers x, einer Exponentialgrösse von der Form e~ hhxx 
proportional angenommen werden müsse, und dass dann gerade diejenige Me 
thode , auf die er schon einige Jahre zuvor durch andere Betrachtungen gekom 
men war, allgemein nothwendig werde. Diese Methode, welche er nachher be 
sonders seit 1801 bei allerlei astronomischen Rechnungen fast täglich anzuwen 
den Gelegenheit hatte, und auf welche auch Legendre inzwischen gekommen war,
	        
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