98
ANZEIGE.
aus den Beobachtungen durch Rechnung ableiten. Freilich werden jene Werthe
auch nur näherungsweise richtig sein, in so fern die Beobachtungen es waren:
allein die Wahrscheinlichkeitsrechnung hat nichts dabei zu thun, als die Uusicher-
heit jener Bestimmungen zu würdigen, indem sie die der Beobachtungen voraus-
setzt. Ist die Anzahl der unbekannten Grössen grösser als die der Beobachtun
gen, so lassen sich jene aus diesen noch gar nicht bestimmen. Allein wenn die
Anzahl der unbekannten Grössen kleiner ist, als die der Beobachtungen, so ist
die Aufgabe mehr als bestimmt: es sind dann unendlich viele Combinationen mög
lich , um aus den Beobachtungen die unbekannten Grössen abzuleiten, die frei
lich alle zu einerlei Resultaten führen müssten, wenn die Beobachtungen absolute
Genauigkeit hätten, aber unter den obwaltenden Umständen mehr oder weniger
von einander abweichende Resultate hervorbringen. Aus dieser ins Unendliche
gehenden Mannichfaltigkeit von Combinationen die zweckmässigste auszuwählen,
d. i. diejenige, wobei die Unsicherheit der Resultate die möglich kleinste wird,
ist unstreitig eine der wichtigsten Aufgaben bei der Anwendung der Mathematik
auf die Naturwissenschaften.
Der Verfasser gegenwärtiger Abhandlung, welcher im Jahr 17 97 diese Auf
gabe nach den Grundsätzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung zuerst untersuchte,
fand bald, dass die Ausmittelung der wahrscheinlichsten Werthe der unbekannten
Grösse unmöglich sei, wenn nicht die Function, die die Wahrscheinlichkeit der
Fehler darstellt, bekannt ist. In so fern sie dies aber nicht ist, bleibt nichts
übrig, als hypothetisch eine solche Function anzunehmen. Es schien ihm das
natürlichste, zuerst den umgekehrten Weg einzuschlagen und die Function zu
suchen, die zum Grunde gelegt werden muss, wenn eine allgemein als gut aner
kannte Regel für den einfachsten aller Fälle daraus hervorgehen soll, die nemlich,
dass das arithmetische Mittel aus mehreren für eine und dieselbe unbekannte
Grösse durch Beobachtungen von gleicher Zuverlässigkeit gefundenen Werthen
als der wahrscheinlichste betrachtet werden müsse. Es ergab sich daraus, dass die
Wahrscheinlichkeit eines Fehlers x, einer Exponentialgrösse von der Form e~ hhxx
proportional angenommen werden müsse, und dass dann gerade diejenige Me
thode , auf die er schon einige Jahre zuvor durch andere Betrachtungen gekom
men war, allgemein nothwendig werde. Diese Methode, welche er nachher be
sonders seit 1801 bei allerlei astronomischen Rechnungen fast täglich anzuwen
den Gelegenheit hatte, und auf welche auch Legendre inzwischen gekommen war,