ANWENDUNG DER WAHRSCHEINLICHKEITSRECHNUNG ETC.
133
19
Bei den Universitätsseitig gemachten Ueberschlägen hat man jene 3 oder 2|- Ehen gegen Eine Witwe
für zu viel gehalten, und das Verhältniss von 2 Ehen gegen Eine Witwe zum Grunde gelegt.
Ich habe die Stelle des P. M. hier bloss deswegen angeführt, weil dadurch erklärlich wird, dass man
sich bei dem Verhältniss von Zwei Ehen gegen Eine Witwe so leicht beruhigt hat, obgleich, sehr wahrschein
lich, auch dieses den Verhältnissen der Professoren-Witwenkasse noch nicht angemessen ist, sondern noch
weniger Ehen gegen Eine Witwe gerechnet werden sollten. Ueber die Sache selbst wird das Nähere weiter
unten Vorkommen; aber der Geschäftsverlauf erinnert (wenn es erlaubt ist, ein Gleichniss aus einer niedern
Sphäre hieher zu ziehen) unwillkürlich an Käufer, die bei unvollkommener eigner Waarenkenntniss einen
guten Handel gemacht zu haben glauben, wenn sie weit unter dem zuerst geforderten Preise eingekauft
haben, obgleich sie, bei Lichte besehen, noch immer zu theuer bezahlten. Ich brauche nicht zu erinnern,
dass ich diess Gleichniss nicht über die Gebühr ausgedehnt wissen will, denn der unbekannte Proponent
hat die Verhältnisse 3:1 und 2£; i ohne Zweifel in gutem Glauben an ihre Zulässigkeit vorgebracht.
Indem der damalige Prorector F., unter dem 6. Julius, das Rescript bei dem Senate in Umlauf
setzt, fügt er den beiden darin enthaltenen Deliberationsgegenständen (Erhöhung der Beiträge und Erhö
hung der Pensionen) noch einen dritten bei, durch den Vorschlag, die Dauer der Waisenpensionen bis zum
vollendeten 20 sten Lebensjahre zu erweitern. Er überlässt den Senatsmitgliedern, sich über diese Gegen
stände gleich schriftlich, oder in der auf den 12. Julius angesetzten Senatsversammlung zu äussern.
Diese Missive ist.von 17 Senatsmitgliedern unterzeichnet; von den dabei gefallenen Aeusserungen
sind hier nur ein paar zu erwähnen.
Der damalige Curator der Witwenkasse, P., stellt vor allem den Grundsatz auf: die Kasse sei den
gegenwärtigen Witwen eben so viel schuldig als den künftigen, sie sei aber auch den künftigen Witwen
genau so viel schuldig wie den gegenwärtigen. Diese (an sich in der That sehr vage) Phrase erläutert er
dahin, dass jede künftige Witwe, welche weniger erhalte, als eine andere früher erhalten habe, (seiner
Meinung nach) Avahrhaft lädirt werde, und das erste Princip müsse demnach sein, die Pensionshöhe so zu
bestimmen, dass, nach höchster Wahrscheinlichkeit, sie niemals wieder vermindert zu werden brauche. In
dieser Beziehung hält aber P. den Calcül in der Beilage des Rescripts nicht für sicher genug; man dürfe
nicht 2^- Ehen auf l Witwe, sondern nur 2 rechnen, und müsse also das Maximum der Witwen nicht auf
10—12 sondern auf 14—15 setzen, mithin auch geringere Pensionshöhen annehmen.
Kaestnek hält die Frage für zu verwickelt und schwierig, als dass sich ohne eine umständliche und ge
naue Untersuchung Qtwas festsetzen lasse ; auch er sei der Meinung, dass mehr nicht als höchstens 2 Ehen auf
1 Witwe, gerechnet werden dürfen. Da er längst aus der Witwenkasse ausgeschieden sei (er war Theil-
nehmer gewesen von 1755—177 3), so habe er in der Sache keine Stimme (als Senior der philosophischen
Facultät war er doch Mitglied der Kirchendeputation), rathe aber, keinen Beschluss zu fassen, ohne vor
her einen Sachverständigen, etAva den p. Kkitteb zu befragen.
G. wünscht auch, dass durch genaue Rechnungen die Kräfte der Kasse ermittelt werden möchten,
und Aveiset auf die schrecklichen Folgen übereilter Beschliessung zu grosser Pensionen, an den Beispielen
der Hannoverschen, Bremischen u. a. WitAvengesellschaften hin.
Die übrigen Vota stimmen theils den vorigen bei, theils entvdckeln sie Bedenklichkeiten, Avegen Er
höhung der Beiträge oder Verlängerung der Waisenpensionen, was hier nicht extrahirt zu werden braucht.
In der Senatssitzung vom 12. Julius, in Avelcher, den Prorector mitgezählt, 12 Professoren amve-
send waren, erklärten sich für die Erhöhung der Beiträge 9 unbedingt, 2 mit dem Zusatz, dass sie die
Erhöhung für zu gross hielten; einer (der bei der schriftlichen Votirung sich nachdrücklich dagegen erklärt
hatte) Avollte den mehrsten Stimmen beitreten. — Der F.’sche Vorschlag, Avegen Verlängerung der Wai
senpensionen Avurde bis zu genauerer Erwägung der Umstände der Kasse noch beanstandet. — Wegen