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NACHLASS.
[ENTWURF ZUR GRADMESSUNG.]
— Über Gradmessungen überhaupt, und in wie fern sie einen der interessantesten Gegen
stände des menschlichen Wissens begründen, darf ich in einem Schreiben an Ew. — — nichts sagen.
Allein die grossen Yortheile und neuen Aufklärungen noch dunkler Punkte, welche von der Vervielfäl
tigung solcher Operationen zu erwarten sind, beruhen doch mit auf der Bedingung, dass diese so viel
als möglich ins Grosse gehen. Isolirte Gradmessungen in Europa, die nur einen kleinen Umfang um
fassen, könnten jetzt, .nach den grossen Arbeiten in Frankreich und England, nur einen sehr untergeord
neten Werth haben: wogegen noch eine oder ein Paar andere ähnliche Messungen in Europa, von einer
bedeutenden Ausdehnung, gewiss für die Kenntniss der Gestalt der Erde ungemein wichtig sein würden.
Ein Blick auf die Karte von Europa, und auf den Culturzustand der verschiedenen Nationen, zeigt
dass ausser der grossen Linie von den Balearischen bis zu den Orkneys Inseln, nur noch in zwei Rich
tungen ähnliche Operationen ausführbar sein werden i) im Russischen Reiche und z) durch die Jütische
Halbinsel und ganz Deutschland bis zum Mittelländischen Meere. Zur Ausführung einer Messung in er-
sterm Reiche scheinen, mir zugekommenen Nachrichten zufolge, einige Aussichten zu sein. Allein für
die andern ist mehr als Aussicht: der erste Hauptschritt ist bereits wirklich geschehen. Die von dem
Könige von Dänemark befohlene Gradmessung, von der Nordspitze Jütlands bis Lauenburg ist bereits
seit zwei Jahren im Gange; dass dieselbe ganz so wird ausgeführt werden, wie es der heutige Zustand
der Wissenschaften und Künste möglich und nothwendig macht, dafür bürgt die Geschicklichkeit und
Einsicht des dänischen Astronomen, die Vortrefflichkeit seiner Instrumente, und die Liberalität, womit
der König von Dänemark alles, was zur Vollkommenheit der Messung nothwendig oder wünschenswert!!
gefunden wird, genehmigt.
Die dänische Gradmessung soll, ausser dem erwähnten Meridianbogen, auch noch die Messung des
Bogens eines Parallelkreises von der Westküste Jütlands bis Koppenhagen umfassen. Natürlich kann
hier nur von dem erstem Theile des Planes die Rede sein. Jener Bogen umfasst für sich schon 4*- Grad,
und die Messung ist daher, schon isolirt betrachtet, von einer respectabeln Ausdehnung. Allein ohne
Vergleich wichtiger erscheint dieselbe, wenn sie als der Anfang jener grossen Messung betrachtet wird,
die einer Ausdehnung bis zur Insel Elba, also bis auf 16 0 , fähig ist. Dass, früh oder spät, diese Ope
ration in einer solchen Ausdehnung einmal werde ausgeführt werden, ist wohl mehr als eine chimärische
Hoffnung, besonders da in einigen dazwischen liegenden Ländern, namentlich in Thüringen und Bayern,
bereits manche Vorarbeiten wirklich geschehen sind. Die Fortsetzung der dänischen Messung durch das
Königreich Hannover ist aber die erste und wesentlichste Bedingung zur dereinstigen Realisirung jenes
Planes. Durch diese Fortsetzung allein würde der Bogen schon um 2 Grad vergrössert werden. Würde
dann auch noch die Gothaische Sternwarte durch ein Dreiecksnötz mit der Göttingischen in Verbindung
gebracht, was auch in mancher andern Rücksicht sehr wünschenswert!! und leicht ausführbar sein würde,
so wäre dadurch schon ein Bogen von 7 Graden realisirt.
Nur kurz brauche ich zu berühren, dass die Messung eines Meridianbogens von Hamburg bis
Göttingen auch noch in andern Beziehungen, als der reinwissenschaftlichen, von grosser Wichtigkeit
sein würde. Das zu diesem Zweck geführte Dreieeksnetz würde, wenn über kurz oder lang eine den
heutigen Forderungen entsprechende Vermessung des ganzen Königreichs Hannover beschlossen werden
sollte, die sicherste Grundlage abgeben, um die weitern Triangulationen östlich und westlich an das
selbe anzuschliessen. Und falls zu einer solchen Generalvermessung nahe Aussicht sein sollte, könnte
durch die Gradmessung noch der Nebenzweck erreicht werden, dass diese mit zur Vorbereitung taugli
cher Personen für jenes Geschäft benutzt werden könnte.