Full text: [Nachträge zur reinen Mathematik] (10. Bandes 1. Abteilung)

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TAGEBUCH MIT ERLÄUTERUNGEN. 
Das eine ist der unmittelbare, sozusagen persönliche Einblick, den wir gerade für die entscheidenden 
Jahre 179 6—1800 in den wissenschaftlichen Werdegang des jungen Gauss gewinnen*). Da ist noch keine 
Spur der abgeschlossenen Reife des wissenschaftlichen Urteils oder auch der vornehmen Zurückhaltung, wie 
sie Gauss in späteren Lebensjahren zu eigen waren. Wichtiges und Unwichtiges wechselt ab; neben Ent 
deckungen von der größten Tragweite finden sich Trivialitäten, wie sie der Anfänger zu überwinden hat; 
überall aber tritt der persönliche Anteil, den Gaxjss an seinen Mühen und Erfolgen nimmt, in überquellender 
Weise zu Tage. Und dabei immer wieder die Eigenart seines mathematischen Genius: induktiv, an der 
Hand von Zahlenrechnungen, die Resultate zu finden, um hinterher langsam, in härtester Arbeit, die Beweise 
zu zwingen. 
Das andere ist die Verknüpfung def einzelnen wissenschaftlichen Fortschritte, die Gauss gelingen, 
und die genaue Datierung bestimmter Entdeckungen. Man kann allerdings den Wunsch nicht unterdrücken, 
Gauss möchte bei seinen Aufzeichnungen mit größerer Konsequenz vorgegangen sein und sich außerdem 
nicht so vielfach mit bloßen Andeutungen begnügt haben. Manche Frage nach der Entstehung von Gauss’ 
späteren mathematischen Auffassungen und Ideen wird sich auch mit Hilfe des Tagebuches niemals beant 
worten lassen und andererseits wird uns manche Tagebuchnotiz dauernd unverständlich bleiben. Trotzdem 
ist der Fortschritt, der sich aus einem genauen Vergleich der einzelnen Nummern des Tagebuches mit den 
erhaltenen Stücken des Nachlasses ergeben muß, zweifellos ein sehr bedeutender. Ich habe bei dieser ersten 
Publikation als meine Hauptaufgabe angesehen, in dieser Hinsicht die Wege nur erst zu ebnen, und bin 
nur nach einer Seite weiter gegangen, indem ich nämlich das Material aus den Jahren 1797—180 0 heran 
zog, welches sich auf die Theorie der elliptischen Funktionen bezieht. Das Hauptergebnis meiner betreffenden 
Studien findet sich in einer Bemerkung zu Nr. Ul des Tagebuches: die Fachgenossen müssen entscheiden, 
wie weit sie dasselbe als gesicherten Besitz anerkennen und dementsprechend die bisher geltende Auffassung 
abändern wollen. 
Hinsichtlich, der Art der im folgenden gegebenen Veröffentlichung und der hinzugefügten Bemerkungen 
mögen übrigens folgende Angaben vorausgeschickt werden. 
Zunächst, was die Notizen des Tagebuches selbst betrifft, so habe ich mich bei deren Wiedergabe 
keineswegs genau an die Äußerlichkeiten des Originals gebunden. Vor allen Dingen habe ich im Interesse 
der Übersichtlichkeit und der bequemeren Bezugnahme die sämtlichen Sätze durchlaufend numeriert. Die 
Angaben über Ort und Zeit wurden möglichst gleichförmig gestaltet, und auch dem Text, wo es wünschens 
wert schien, hin und wieder ein Wort oder eine Silbe (die dann in eckige Klammern eingeschlossen sind) 
hinzugefügt. Leicht erkennbare sprachliche Unrichtigkeiten wurden verbessert. Die Formeln wurden heraus 
gehoben und in moderner Weise gedruckt. Einer Anzahl Nummern hat Gauss gewisse Marken voran 
gestellt, um deren Wichtigkeit hervorzuheben, ferner ist eine große Zahl der Notizen, insbesondere derjenigen 
zahlentheoretischen Inhalts, im Original mit roter Tinte unterstrichen; im Druck wurden sowohl die Marken 
wie auch die Unterstreichungen weggelassen. Es scheint, als seien die Unterstreichungen erst hinterher 
angebracht und darauf bezüglich, ob Gauss die einzelne Notiz bei späteren Arbeiten benutzt hat oder nicht. 
Dann aber, was die Bemerkungen angeht, die den einzelnen Nummern zugesetzt sind, so haben sie 
vorwiegend den Zweck, den aktenmäßigen Wert des mitgeteilten Materials zu erhöhen. Hierzu Schien vor 
allen Dingen der Hinweis auf parallellaufende Zeitangaben in den bisherigen Veröffentlichungen von Gauss’ 
Werken oder Briefen erwünscht. Besonderen Dank habe ich Herrn Dedekind "für einige erläuternde Be 
merkungen zu sagen, die mit seiner Namensunterschrift den in Betracht kommenden Nummern hinzugefügt 
worden sind. Hierüber hinaus habe ich verschiedentlich auf den handschriftlichen Nachlaß von Gauss, wie 
*) Gauss ist am so,’'April 177 7 geboren, war also, als er das Tagebuch am so. März 1 796 begann, 
noch nicht ganz 19 Jahre alt
	        
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