Full text: Abhandlungen über Gauss wissenschaftliche Tätigkeit auf den Gebieten der Geodäsie, Physik und Astronomie (11. Bandes, 2. Abteilung)

DIE EIGENTLICHEN WINKELMESSUNGEN 1821 — 1823. 
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in massigen Strecken andere Krümmungen sich zeigen, so beweiset dies nur, 
dass im Kleinen die Erde gar kein Ellipsoid ist, sondern gleichsam wellen 
förmig von dem die Erde im Grossen darstellenden Ellipsoid abweicht. Es 
ist dann, wenn man kleine Stücke durch ein individuelles Ellipsoid darstellen 
will, einerlei, ob man eine andere Abplattung oder andere Hauptachse annimmt, 
da dies immer nur eine Art von Interpolationsbehelf ist«. Im Anschluss hieran 
schlug Gauss vor, im Spätsommer 1824 mit dem E-AMSDENschen Zenitsektor 
die Breiten der beiden Sternwarten in Altona und Göttingen zu bestimmen. 
Ausserdem empfahl er, im bevorstehenden Winter gleichzeitige Beobachtungen 
derselben Sterne an den beiden REicHENBAcnschen Kreisen anzustellen. 
Diese Reihe, die auf eine Stunde Sternzeit beschränkt und auf eine 
passende Beobachtungszeit gelegt werden sollte 1 ), konnte Gauss wegen der 
Krankheit seiner Gattin und der durch zwei Kollegia ohnehin für die übrigen 
Arbeiten zerstückelten Zeit nicht sogleich zu Stande bringen. Erst im Januar 
und Februar des folgenden Jahres, 1824, gelang es ihm, den Plan durchzu 
führen, und eine Bestätigung des bestehenden Unterschiedes der astronomischen 
und geodätischen Verbindung der beiden Sternwarten zu erhalten. Die Ver 
gleichung der Göttinger mit der von Zach auf dem Brocken mit einem frei 
lich minderwertigen LENomschen Instrumente beobachteten Polhöhe gab eine 
Abweichung von 15" im entgegengesetzten Sinne für den Bogen Göttingen- 
Brocken und Gauss konnte nun nicht mehr an dem unregelmässigen Fort 
schreiten der Schwererichtung zweifeln; er hielt es sogar für möglich, dass 
bereits eine Entfernung von ein paar hundert Schritten Anomalien zeigen 
könnte 1 2 ). Ausser den zum grossen Teil von Hansen angestellten Zenitstern- 
1) »Bei dieser Gelegenheit bemerke ich, dass ich im Allgemeinen ungern in den Frühstunden vor 
Tage beobachte; ich finde meine Augen dann immer viel schwächer, und mag allenfalls lieber bis zwei Uhr 
aufbleiben, als um 5 oder 6 Uhr aufstehen«. G.-Sch. Nr. 192. 
2) Eine etwas undeutliche Frage von Schumacher veranlasste Gauss zu einer allgemeineren Klar 
stellung : »Ihre Frage, wenn mehrere Punkte eines Netzes astronomisch bestimmt sind, und Amplituden 
geben, die mit der Rechnung nicht harmonieren, welche dann gelten soll, da Lokalattraktionen sowohl in 
A als B etc. möglich wären? verstehe ich nicht ganz. Für jeden Punkt gilt die Polhöhe, die astronomisch 
gefunden ist, insofern die Beobachtungen alle Vertrauen verdienen. Das Phänomen besteht ja bloss darin, 
dass die Polhöhen mit den terrestrischen Entfernungen nicht Schritt halten. Durch den Ausdruck Lokal- 
Anziehungen wird däucht mir schon alles in einen falschen Gesichtspunkt gestellt. Das gleichmässige Fort- 
achreiten der Polhöhen setzt voraus, dass die Erde in ihrem Innern regelmässig gebildet sei, und fällt weg, 
wenn diese Voraussetzung unrichtig ist. Ich finde darin garnichts auffallendes und sehe nicht, warum man 
XI2 Abh. l. 12
	        
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