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A. GALLE, ÜBER DIE GEODÄTISCHEN ARBEITEN VON GAUSS.
Auf dem Bottel hielt er sich vom 19. bis 24. Juni auf; Müller befand
sich gleichzeitig in Brüttendorf, um den Wald nach dem Litberg hin zu durch
brechen 1 ), Klüver sollte ihn unterstüzen und gleichzeitig Heliotroplicht nach
dem Bottel senden. Als Gauss am 27. Juni nach Zeven kam, fand er den
Durchhau schon offen, dessen Richtung nur 2" von der Vorausberechnung
differierte. Aber nach Westen bot sich schlechte Aussicht, weiter zu kommen
und Joseph Gauss musste mit Müller die Gegend von Bremervörde bis Ham
bergen und dann nach Worpswede und Wilstadt hin rekognoszieren. Gauss
hätte am liebsten Bremen als Hauptdreieckspunkt ganz aufgegeben, da der
Ansgariusturm ein schlechter Zielpunkt und noch schlechterer Standpunkt sein
würde 1 2 ). Aber trotz ungünstiger Sicht schnitt er sogleich von Brüttendorf
aus Neugierde ein paar mal Bremen ein, das er vorher vom Bottel aus be
obachtet hatte, und fand dadurch aus einer vorläufigen Rechnung seine Lage
um etwa 7 m nördlich und ebenso viel westlich von der Stelle, die er aus
seinen eigenen, Epaillys und Krayenhoffs und wieder Epaillys Messungen
geschlossen hatte. Er war davon nicht sehr befriedigt; als aber Olbers irrtüm
lich 1" statt 7 m gelesen hatte, wurde Gauss zu einer ausführlichen Darlegung
1) »Ohne dass solche Messungen vorangegangen wären, würde ein solcher Durchhau ganz unmöglich
gewesen sein, oder er hätte an Zeit und Geld wenigstens beinahe so viel gekostet, wie jene Messungen
zusammen; auch abgesehen davon, dass man ohne die vorgängigen Arbeiten garnicht darauf hätte kommen
können, gerade diese Plätze zu wählen, da namentlich das Brüttendorfer Feld eine unscheinbare zur Er
bauung von 100 Fuss hohen Türmen gar nicht besonders einladende Gegend ist. Epailly war von Bremen
aus mit seinen Messungen nach O und NO nicht weiter gekommen als Wilstedt und Haverloh und er
klärte die gerade Verbindung mit Hamburg für unmöglich, obgleich er den Vorteil hatte, dass er sich keine
Bedenken machte, in der Luft auf hohen Signaltürmen zu beobachten, während ich von Anfang an mir
zum Prinzip gemacht habe, dies nicht zu tun, oder höchstens für einen Notfall aufzusparen, wo durchaus
auf andre Weise nicht durchzukommen wäre. In der Tat ist der Modus, den Zach [oder eigentlich der
Anonymus in Zachs Journal, siehe oben] mir anrät, insofern der leichteste, als dabei gar keine Geistes
tätigkeit erfordert wird, sondern nur, dass man Zeit, Geld, viel Geld, oft ganz vergeblich aufgewandtes Geld
nicht achtet und auf Genauigkeit Verzicht tut. Hätte ich von 1822 an nach seinem Rat agiert, so würde
ich die doppelte Zeit und die dreifachen Kosten verbraucht haben, um am Ende die halbe Genauigkeit zu
erreichen« (G.-O. Nr. 5ll).
2) »Vermutlich werden auf dem Turm selbst erst mehrere Vorkehrungen gemacht werden müssen, eine
Art Befriedigung in der Laterne, eine Art Kreuz zwischen den Pfeilern der Laterne, unabhängig vom Fuss-
boden, um den Heliotrop und demnächst den Theodolithen darauf zu stellen. Da die Laterne, so viel ich
mich erinnere, nur sehr eng ist, so wird der Heliotrop selbst oft und lange im Schatten sein, und daher
fast immer doppelte Reflexion angewandt werden müssen. Wie unendlich grosse Vorzüge haben die Plätze
zu ebener Erde!« (G.-O. Nr. 512.)