Full text: Abhandlungen über Gauss wissenschaftliche Tätigkeit auf den Gebieten der Geodäsie, Physik und Astronomie (11. Bandes, 2. Abteilung)

FLÄCHENTHEORIE. 
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sich mit einer Aufgabe, ohne sie zu seiner Zufriedenheit lösen zu können 1 ). 
Schumacher, dem gegenüber er sich in dieser Weise äusserte, bat ihn, nicht 
zu strenge an dem Grundsatz, ut nihil amplius desiderari possit, festzuhalten, 
da ihm die Materie weit wichtiger, als die möglichst vollendete Form erschien. 
Aber Gauss, der nur in Bezug auf einen für die Astronomischen Nachrichten 
in Aussicht gestellten Beitrag gesagt hatte, dass er etwas ganz Unbedeutendes 
sehr ungern gäbe, erwidert auf diesen Bat etwas erregt: »So werden Sie es 
doch nicht verstehen, als ob ich mehr für die Wissenschaft leisten würde, 
wenn ich mich mehr damit begnügte, einzelne Mauersteine, Ziegel etc. zu 
liefern, anstatt eines Gebäudes, sei es nun ein Tempel oder eine Hütte, da 
gewissermassen doch das Gebäude auch nur Form der Backsteine ist. Aber 
ungern stelle ich ein Gebäude auf, worin Hauptteile fehlen, wenn gleich ich 
wenig auf den äussern Aufputz gebe. Auf keinen Fall aber, wenn Sie sonst 
mit Ihrem Vorwurf auch Becht hätten, passt er auf meine Klagen über die 
gegenwärtigen Arbeiten, wo es nur das gilt, was ich Materie nenne; und 
ebenso kann ich Ihnen bestimmt versichern, dass wenn ich gern auch eine 
gefällige Form gebe, diese vergleichsweise nur sehr wenig Zeit und Kraft in 
Anspruch nimmt oder bei früheren Arbeiten genommen hat. Höchst drückend 
aber fühle ich bei schleunigen Arbeiten meine äusseren Verhältnisse« 1 2 ). 
Solche trübe Stimmungen wurden abgelöst durch frohlockende Ausrufe 3 ): 
»Ich habe viel, viel Schönes herausgebracht!« So gelang ihm als ein glück- 
1) P. Stäckel bemerkt hierzu (Gauss als Geometer, Werke X2, Abh.4, S. l o4); »Wie wir sahen [a.a.O., 
S. 95], hatte Gauss bei zwei besondern Formen des Linienelementes [ds 2 — m(dp 2 dq 2 ) bei der konformen 
Abbildung, und ds 2 — dp 2 + Gdq 2 bei der Darstellung durch geodätische Polarkoordinaten] das Krümmungs- 
mass durch den darin auftretenden Koeffizienten und dessen erste und zweite partiellen Ableitungen Aus 
drücken können. Er wusste, dass das Krümmungsmass bei den Biegungen erhalten bleibt, folglich musste 
bei der allgemeinen Form des Linienelementes [ds 2 = Edp 2 + 2Fdpdq-{- G dq 2 ] das Krümmungs 
mass ebenfalls durch die darin auftretenden Koeffizienten und deren partielle Ableitungen darstellbar sein. 
Allein die Rechnungen, die dort zum Ziel geführt hatten, Hessen sich nicht ohne weiteres auf den Fall be 
liebiger bestimmender Grössen übertragen; hierauf beziehen sich wohl die Klagen über die Unfruchtbarkeit 
langer Bemühungen in dem Briefe an Olbers vom 19. Februar 1826.« 
In der angeführten Abhandlung von P. Stäckel ist die Entstehung der Disquisitiones circa super 
ficies curvas eingehend behandelt; es konnte daher hier um so mehr auf eine Wiederholung verzichtet werden, 
als direkte Beziehungen zur Geodäsie dabei nicht in Frage kommen. 
2) Er prägte das für ihn bezeichnende Wort: »Unabhängigkeit ist das grosse Losungswort für Geistes 
arbeiten in die Tiefe.« 
3) G.-O. Nr. 596, 
XI 2 Abh. 1. 
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