14 A. GALLE, ÜBER DIE GEODÄTISCHEN ARBEITEN VON GAUSS.
allgemein als die zweckmässigste Kombination der Beobachtungen erscheint,
nicht nur näherungsweise, sondern nach mathematischer Schärfe — die Funk
tion für die Wahrscheinlichkeit der Fehler sei, wie sie wolle, und die Anzahl
der Beobachtungen möge gross oder klein sein.
Am 2. Februar 1823 überreichte Gauss der Sozietät eine Fortsetzung
seiner Untersuchungen unter demselben Titel als pars posterior (Werke IV,
S. 27). Mit ihrem Inhalt machte er die Zeitgenossen durch eine Anzeige in
den Göttinger gelehrten Anzeigen vom 24. Februar 1823 (Werke IV, S. 100)
bekannt. Ausser dem Verfahren zur Bestimmung der Gewichte sämtlicher
Unbekannten werden noch die Aufgaben behandelt, beim Hinzutreten einer
noch nicht berücksichtigten Beobachtung, und bei Änderung des Gewichtes
einer schon verwendeten Beobachtung, ohne Wiederholung der ganzen Eli
minationsarbeit die Veränderungen der Endresultate zu erhalten.
Wenn man vermuten kann, dass Gauss auf diese Aufgaben durch seine
geodätische Tätigkeit geführt worden ist, so zeigen die Beispiele in der als
Supplementum theoriae combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae der
Sozietät am 16. September 182 6 überreichten Vorlesung (Werke IV, S. 104),
dass die hier behandelte Theorie der bedingten Beobachtungen eine Frucht
seiner Beschäftigung mit der Gradmessung gewesen ist. In den Göttingischen
gelehrten Anzeigen vom 2 5. September 1826 (Werke IV, S. 107) betont er
dies noch ausdrücklich: »Die trigonometrischen Messungen gehören ganz be
sonders in das Feld, wo die Wahrscheinlichkeitsrechnung Anwendung findet,
und namentlich in derjenigen Form Anwendung findet, die in der gegen
wärtigen Abhandlung entwickelt ist«.
Bei dieser Gelegenheit hat Gauss noch auf eine Eigenschaft der Methode
der kleinsten Quadrate hingewiesen, die nicht ihre mathematische Seite berührt,
sondern das sittliche Gebiet streift, indem sie das verwerfliche Verfahren des
Auswählens und Ausschliessens von Beobachtungen, sei es aus Unbekannt
schaft mit den wahren Grundsätzen einer richtigen Theorie, oder aus dem
geheimen Wunsche, den Messungen das Ansehen grösserer Genauigkeit zu
geben, mit immer wachsendem Erfolge verhindert hat 1 ). i)
i) Vgl. Gaede, Beiträge zur Kenntniss von Gauss’ praktisch - geodätischen Arbeiten, Zeitschrift für
Vermessungswesen 1885, S. 53.