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A. GALLE, ÜBER DIE GEODÄTISCHEN ARBEITEN VON GAUSS.
aber Gauss fasste die davon ganz verschiedene, vor dem Bekanntwerden seiner
Untersuchung darüber wahrscheinlich noch niemals betrachtete physische Mög
lichkeit ins Auge, unter welcher Bedingung die zwischen den drei gegebenen
Punkten angesetzten Winkel gemessen sein können oder nicht. Die bei wirk
lich ausgeführten Messungen garnicht begründete Überlegung kann also etwa
bei einem Schreibfehler in den Beobachtnngszahlen notwendig werden und
würde bei einer häufigen Anwendung dieser Methode der Punktbestimmung,
die man aber bei Gauss in jener Zeit nicht annehmen kann, etwa durch ein
immerhin seltsames Versehen veranlasst sein können. Wahrscheinlicher ist
das Problem als eine zierliche geometrische Aufgabe für Gauss verlockend ge
wesen, worauf die Symmetrie der Behandlung und die Gegenüberstellung der
beiden Figuren, die einer Abbildung durch reziproke Radien entsprechen, hin
zuweisen scheinen 1 ).
7. Geodätische Notiz. Die erste Veröffentlichung einer geodätischen Notiz
wurde bereits (S. 9) erwähnt; Gauss erhielt durch Anwendung der Methode der
kleinsten Quadrate aus den vier Meridianbögen zwischen Dünkirchen-Pantheon-
Evaux-Carcassonne-Barcelona des Meridians von Paris allein (ohne Rücksicht
auf den Grad in Peru) die Abplattung 1/187 und als Länge des ganzen Qua
dranten 2565006 Moduln (Doppel-Toisen).
8. Arbeiten für Lecoq 2 ). In demselben Jahre 1799 stand Gauss im Brief
wechsel mit dem damaligen Obersten von Lecoq in Preussisch-Minden, der
für militärische Zwecke eine Vermessung von Westfalen unternommen hatte.
Ans einigen Briefen von Lecoq an Gauss und einem z. Z. in der Autographen
sammlung Darmstädter der Staats-Bibliothek in Berlin aufbewahrten Schreiben
von Gauss an Lecoq 3 ) erfahren wir genaueres über das, worum es sich handelte.
Am 3. Februar 1799 schrieb Lecoq aus Minden: »Sollte es mir an Zeit zur
Berechnung fehlen oder mir Schwierigkeiten anfstossen, die ich ohne Ihren
Rat nicht beseitigen kann, so erlauben Sie mir, dass ich Sie dann an Ihrem
gütigen Versprechen erinnere«. Am 3. März folgte dann eine direkte Auf
forderung; »Da Ew. Wohlgeboren so gefällig gewesen sind, sich zu astrono-
1) Vgl. Werke VIII, S. 309—318, und Galle, Geodäsie, Sammlung Schubert XXIII, Leipzig 1907,
§ 54, S. 209. Eine besondere Eleganz erreichte Gauss hierbei später (G.-G. 14. 1. 1842) durch Anwendung
komplexer Grössen.
2) Vergl. den Aufsatz über Gauss praktisch-astronomische Arbeiten von M. Bkendel in diesem Bande.
3) Werke X i, S. 540,