160 CLEMENS SCHAEFER, ÜBER GAUSS’ PHYSIKALISCHE ARBEITEN.
Linse für sich ein Minimum der sphärischen Aberration gibt (Verhältnis
etwa 1:7); Klügel wollte möglichst kleine Krümmungen verwenden (Ver
hältnis 1:1); später stellte derselbe die Forderung möglichst kleiner Brechungen
(Verhältnis 1 : 3). Gauss kritisiert nun diese verschiedenen Vorschläge mit
folgender allgemeinen Begründung: Da die sphärische Aberration niemals
ganz beseitigt werden kann, sondern, wenn sie für die Bandzone korrigiert
ist, in den Zwischenzonen sich wieder bemerklich macht (und umgekehrt), so
fragt es sich, ob es überhaupt zweckmässig ist, gerade diesen Linsenfehler
möglichst zu beseitigen, solange das Objektiv noch andere Unvollkommenheiten
hat, die unter Umständen störender sind, als der Rest sphärischer Aberration
Es empfiehlt sich z. B. nach Gauss mehr, die Farbenzerstreuung auch für
die Randstrahlen zu kompensieren, — wenn dies möglich ist.
Bohnenberger 1 ) hat nun das Verdienst, durch seine Arbeit gezeigt zu
haben, dass es in Hinsicht der Farbenzerstreuung vorteilhafter ist, das Halb
messerverhältnis 2 : 3 statt des KLÜGELschen Verhältnisses 1 : 3 zu wählen; in
beiden Fällen ist die sphärische Aberration noch merklich gleich gut
korrigiert.
Immerhin bleibt auch bei dieser von Bohnenberger vorgeschlagenen Wahl
der Halbmesser ein Rest von Farbenzerstreuung für die Randstrahlen übrig, und
es erhebt sich eben die allgemeine Frage, ob man nicht die Forderung der
Beseitigung der chromatischen Fehler für die Randstrahlen zur Bestimmung
des Verhältnisses der Halbmesser der ersten Linse benützen kann, Bohnen-
berger kam auf Grund seiner Untersuchung 1 2 ) zu dem Ergebnis, dass dies
nicht möglich sei: »Denn es lässt sich die Farbenzerstreuung nicht für grosse
und kleine Brechungen, also nicht am Mittelpunkt und am Rande des Ob
jektivs gleichzeitig heben«, heisst es am Schlüsse seines Aufsatzes. Dieses
Resultat veranlasste Gauss, die Frage von Neuem zu prüfen, mit dem ent
gegengesetzten Ergebnis 3 ): »Die vollkommene Wegschafiüng der Farbenzer
streuung bei den Randstrahlen und den der Achse nächsten Strahlen ist
nämlich allerdings möglich, oder bestimmter, es lässt sich ein Objektiv be-
1) Bemerkungen über die Berechnung achromatischer Objektive, Zeitschr. für Astron. und verwandte
Wissensch., Band I, S. 282 ff. und 385 ff.
2) A. a. O., S. 393.
3) Zeitschr. für Astron. und verwandte Wissensch,, Band IV, S. 345 ff.; Werke V, S. 506.