54 A. GALLE, ÜBER DIE GEODÄTISCHEN ARBEITEN VON GAUSS.
entsprechenden Punkten einander parallel sind, enthält zum ersten Male das
Krümmungsmass, das aber noch nicht als solches bezeichnet wird. (Vergleiche
P. Stäckel, Gauss als Geometer, Werke X 2, Ahh. 4, S. 86).
Den mittleren Krümmungsradius scheint Gauss damals auch noch nicht
gekannt zu haben. Es wäre denkbar, dass Lindenaus Frage (vergl. Seite 48)
für welche Breite die von Gauss angestellte Rechnung gelte, ihn zu diesem
Begriff hingeführt hätte; jedoch ist es wahrscheinlicher, dass er hierzu erst
nach der Veröffentlichung der Preisarbeit (im Jahre 1822) gelangt ist. Denn
die Preisarbeit benutzt bei der Abbildung des Ellipsoids auf die Kugel den
Querkrümmungsradius als Kugelhalbmesser und nicht den mittleren Krümmungs
radius, wie bei der Abbildung in den »Untersuchungen«.
Auf eine andere Stelle der Theoria attractionis hat bereits P. Stäckel auf
merksam gemacht (Gauss als Geometer, a. a. O. S. 87). Sie betrifft eine neue
Auffassung der Gleichung einer Fläche, indem in W(¿p, y,z) = 0 die Koordi
naten als Funktionen von zwei unabhängigen Variabein angesehen werden. So
vorteilhaft sich dieses Hilfsmittel für die Flächentheorie im allgemeinen er
weist, so tritt der Nutzen doch ganz besonders bei der Abbildungsaufgabe
hervor. Denn es ist auf diese Weise ohne weiteres möglich, die Punkte von
zwei verschiedenen Flächen zu einander in Beziehung zu setzen, indem den
selben Werten t, u der unabhängigen Variabein auf der einen Fläche «r, y, z,
auf der andern X, Y, Z entsprechen (vergl. Werke IV, S. 194).
Es wird sich kaum ermitteln lassen, in wie weit vor dem Beginn der
dänischen Gradmessung bereits die theoretischen Grundlagen von Gauss aus
gearbeitet waren. Dass er verschiedene Arten der Abbildung ausgeprobt hat,
geht aus den Zusammenstellungen in Werke IX, S. 1 07—140 hervor, je
doch ist sicher ein Teil derselben erst in der Mitte des dritten Jahrzehnts
des vorigen Jahrhunderts entstanden. Zweifellos hat er von Anfang an eine
winkeltreue Abbildung ins Auge gefasst, hei der die Ähnlichkeit des Bildes
mit dem Urbilde in den kleinsten Teilen stattfindet.
23. Verschiedene Ahhildungsarten. Die Notizen [i] Werke IX, S. 107,
[6] S. 112, [10] S. 115, [1] S. 117, [l] S. 123 folgen in demselben Handbuch
unmittelbar auf einander (Werke IX, S. 115). Unter ihnen betreffen die drei