GAUSS AN J. G. REPSOLD.
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man von der andern Seite die vorgeschriebnen Krümmungen nie aufs aller
schärfste in der Praxis wird ausführen können. Gerade dieser Umstand aber
gibt die Antwort
auf Ihre zweite Frage. An sich ist allerdings keineswegs nothwendig,
dass die beiden Gläser durch einen Zwischenraum getrennt sind. Allein die
Absicht warum bei der Rechnung einer gelassen ist, geht dahin um einigen
Spielraum zu gewinnen, so dass man durch Verringerung oder Vergrösserung
der Distanz demjenigen durch Probiren nachhelfen könne, was an der Be
schaffenheit der Glasarten und der Ausführung der verlangten Krümmungen
etwa noch fehlen kann. Die Engländer leisten dieses Nachhelfen nicht durch
Verschieben der Gläser, sondern dadurch, dass sie aus einer sehr grossen
Menge von Linsen diejenige aussuchen, die den besten Effect thut. Könnten
Sie mir einerseits die Brechungs- und Zerstreuungsverhältnisse Ihrer Glasarten
haarscharf angeben und zweitens gewiss sein, die vorgeschriebnen Krümmungen
eben so haarscharf auszuführen, so wäre es ein leichtes die Dimensionen zu
dem besten Objectiv, wo die Linsen sich berühren, anzugeben. Allein bei
den kleinen doch immer unvermeidlichen Unvollkommenheiten ist es dem,
der nicht unter Hunderten von Linsen aussuchen kann, nothwendig, sich
gleichsam den Rücken frei zu erhalten, um wenigstens durch eine kleine Ver-
schiebung der beiden Linsen das gefehlte wieder einzubringen zu suchen. Ob
übrigens nach Hrn. Klügels Vorschriften schon ein Glas ausgeführt ist, weiss
ich nicht: aber gewiss glaube ich, dass man durch zweckmässige Benutzung
der Theorie vor der blossen Empirie einen sichern Vorsprung müsste er
halten können.
Mit ausgezeichne[te]r Achtung
Herrn Onkel verharre ich
und unter vielen Empfehlungen an Ihren
Ihr ergebenster
C. F. Gauss.
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Göttingen, den 2. September 1809.
Mit vielem Vergnügen höre ich heute von Hrn. Dr. Schumacher, dass
Sie, werthester Freund, mir bald über die Brechungs- und Zerstreuungsver-
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