Full text: [Varia. Atlas des Erdmagnetismus] (12. Band)

WILHELM AVE BER AN FRIES. 
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nicht enthalten sind: z. B. wenn es sich bei Leibrenten um eine bestimmte 
Person handelt, von deren Constitution und Lebensart wir im Vergleich zur 
Mehrzahl der Menschen eine geAvisse Vorstellung haben. 
Der hohe Werth der Wahrscheinlichkeitsrechnung besteht aber darin, 
dass sie gerade in den Fällen, avo gar keine andern Kenntnisse vorliegen, die 
uns leiten können, irgend eine Richtschnur an die Hand gibt: z. B. bei der 
Einrichtung einer Leibrentenanstalt. 
Ebenso kann die Wahrscheinlichkeitsrechnung dem Gesetzgeber eine 
Richtschnur für die Bestimmung der Zahl der Zeugen und der Richter geben, 
wenn sie auch für den einzelnen Fall nichts lehrt. Sie gibt eine Richtschnur 
für Wetten, in welchem Verhältnis die wahren und unwahren Nachrichten in 
einem Zeitungsblatte sich verhalten werden, Avenn Zählungen aus längerer Zeit 
vorliegen. Sobald es sich aber von einem bestimmten Fall handelt, so gilt 
von Zeugen dasselbe, wie von einer Zeitungsnachricht, die wir vor Augen 
haben, von der wir viel mehr wissen, als was jene Zählungen enthalten. 
Eine Angabe kann durch Vermehrung der Beobachtungen, denen aus 
subjectiven Gründen gleiches Vertrauen geschenkt wird, der Wahrheit immer 
näher gebracht werden, d. h. demjenigen Werthe, welcher nach der ange 
wandten Beobachtungsweise ohne Beobachtungsfehler erhalten werden Avürde. 
Ist aber die Beobachtungsweise irrig, was aus objectiven Gründen, z. B. nach 
den dabei in Betracht kommenden Naturgesetzen zu beurtheilen ist, so geht 
ein constanter Fehler durch alle Beobachtungen, welcher durch Wiederholung 
der Beobachtung nicht herauszubringen ist. 
Bei der Wiederkehr des Sonnenaufgangs kommt nicht bloss die wieder 
holte Erfahrung in Betracht, sondern weit mehr noch die Kenntniss der Ge 
setze, welche macht, dass diese und ähnliche Fälle in der Natur ganz anders 
beurtheilt werden müssen, als die wiederkehrenden Erscheinungen in der 
organischen Natur, wo man von solchen Gesetzen nichts weiss. Dort folgt 
aus dem Ausbleiben einer erwarteten Erscheinung, dass man ein in der Natur 
wirkendes Element übersehen hat: wir würden also die Wahrscheinlichkeit 
eines solchen Übersehens vorher zu schätzen haben. Ganz anders verhält es 
sich z. B. mit der Verbindung der Thiere, aus der junge Thiere hervorgehen, 
man weiss nicht wie. Hier hält man sich bloss an die wiederholte Beobach 
tung des Factums, und die Wahrscheinlichkeit wächst mit der Wiederholung.
	        
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