13. Zur Metaphysik der Mathematik.
[Aus Varia (M), Kapsel 46, b.]
1. Gegenstand der Mathematik sind alle extensive Grössen (solche, bei
denen sich Theile denken lassen); intensive Grössen (alle nicht extensive
Grössen) nur insofern, als sie von extensiven abhangen. Zu der erstem Art
von Grössen gehören; Der Raum oder die geometrischen Grössen, welche
Linien, Flächen, Körper und Winkel unter sich begreifen, die Zeit, die Zahl:
zu der letztem: Geschwindigkeit, Dichtigkeit, Härte, Höhe und Tiefe der
Töne, Stärke der Töne und des Lichts, Wahrscheinlichkeit u. s. w.
2. Eine Grösse für sich kann noch kein Gegenstand einer wissenschaft
lichen Untersuchung werden: die Mathematik betrachtet die Grössen nur in
Beziehung auf einander. Die Beziehung der Grössen auf einander, die sie
haben, nur in sofern sie Grössen sind, nenne man arithmetische Beziehung:
Bei geometrischen Grössen findet auch eine Relation in Ansehung der Lage
Statt und diese nenne man geometrische Beziehung. Es ist klar, dass geo
metrische Grössen auch arithmetische Beziehungen zu einander haben können.
3. Die Mathematik lehrt nun eigentlich allgemeine Wahrheiten, welche
die Relationen der Grössen betreffen, und der Zweck davon ist, Grössen, "die
zu bekannten Grössen oder zu denen bekannte Grössen bekannte
Beziehungen haben, darzustellen, d. h. eine Vorstellung davon möglich zu
machen. Nun aber können wir von einer Grösse auf eine zwiefache Art eine
Vorstellung haben, entweder durch unmittelbare Anschauung (eine unmittel
bare Vorstellung), oder durch Vergleichung mit andern, durch unmittelbare
Anschauung gegebnen Grössen (mittelbare Vorstellung). Die Pflicht des
Mathematikers ist demnach, die gesuchte Grösse entweder wirklich darzu
stellen (geometrische Darstellung oder Construction), oder die Art und Weise
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