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Thermochemie.
Wenn auch von diesen Schlussfolgerungen einige in
späterer Zeit modificirt werden mussten, und sich nament
lich die Vorgänge innerhalb einer Lösung noch als viel
verwickelter herausgestellt haben, als Thomsen ursprüng
lich angenommen hat (vergl. unten § 184), so ist doch
durch die geschilderte Arbeit, und durch die Anwendung
ihrer Resultate auf die GuLDBERG-WAAGE’sche Theorie der
entscheidende Anfang zu einer exakten Behandlung der
Lehre von der chemischen Verwandtschaft gemacht worden.
Immerhin bedeuten die THOMSEN’schen Untersuchungen
noch keinen Fortschritt in der Lösung des Problems, die
Verwandtschaftslehre thermochemisch zu begründen. Denn
seine thermochemischen Messungen bezwecken lediglich
die Analyse der thatsächlich stattfindenden chemischen
Vorgänge; sie bieten aber nicht das Mittel, den chemi
schen Gleichgewichtszustand nach einem allgemeinen
Princip im Voraus zu berechnen. In letzterer Hinsicht
nahm Thomsen bekanntlich noch im Wesentlichen den
Berthelot’sehen Standpunkt der »grössten Wärmeentwick
lung« ein, der für die Erforschung des chemischen Gleich
gewichts in Lösungen gänzlich unfruchtbar ist. Nun zeigte
zum ersten Mal die Theorie von Guldberg und Waage, dass
man von einem ganz anderen Standpunkt aus zu brauch
baren Resultaten gelangt; denn Guldberg und Waage
waren bei der Begründung ihrer Theorie garnicht von der
Untersuchung der Wärmephänomene, sondern von atomisti-
schen Vorstellungen ausgegangen. Daher konnte es eine
Zeit lang scheinen, als ob die Thermochemie mit der Ver
wandtschaftslehre an sich garnichts zu thun hätte. Indess
ergab sich bald, insbesondere durch die Untersuchungen
von Horstmann (37) und von van’t Hoff (38), dass man
die speciellen Vorstellungen von Guldberg und Waage
garnicht nöthig hat, um zu dem einfachen Ausdruck des
von ihnen gefundenen Gesetzes zu gelangen, dass im Ge-
gentheil dieses Gesetz sich an die allgemeinen Folgerungen
reihen lässt, welche aus der Wärmetheorie wie für physi