Dreizehnte Vorlesung.
Atome und Moleküle. — Kinetische Theorie der Gase. — Zusammenstoss zweier
Moleküle. — Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses. — Die beiden Hauptsätze
der Wahrscheinlichkeitsrechnung. — Beispiele. — Yertheilung einer grossen
Anzahl von Molekülen in der Volumeneinheit. — Yertheilung der Geschwindig
keiten in einem ruhenden Gas. — Gesetz von Maxwell. Erster Beweis.
§ 1-
Wir haben bis jetzt die Begriffe, auf welche die Wärmeerschei
nungen geführt haben: die Begriffe der Temperatur und der Wärme
menge als selbständige aufgefasst, d. h. als solche, die nicht auf die
Begriffe der Mechanik zurückführbar sind; und, wie wir im Eingänge
dieser Vorträge gesehen haben, müssen wir das, wenn wir die Vor
stellung festhalten wollen, dass die Materie die Körper stetig erfüllt
und die Bewegung in ihnen von Punkt zu Punkt stetig sich ändert,
wie es der Fall zu sein scheint. Dabei bleiben die Beziehungen
zwischen Bewegungen und Temperaturäuderungen, die stattiinden:
die Verwandlung von Wärme in Arbeit und umgekehrt, unerklärlich.
Diese Thatsachen haben naturgemäss das Streben erweckt, die Wärrae-
erscheinungen als auf Bewegungen beruhend aufzufassen und die
Vorstellung von der Stetigkeit der Materie aufzugeben. Es giebt
eine uralte Vorstellung von der Beschaffenheit der Körper, welche
die Grundlage der Betrachtungen bilden konnte: die Vorstellung,
dass die Körper aus Atomen oder, wie man jetzt gewöhnlicher zu
sagen pflegt, aus Molekülen bestehen. Das sollen einzelne Körperchen,
getrennte Individuen, sein, von denen in dem kleinsten Raume, den
wir wahrnehraen können, eine unzählbare Menge sich befindet; alle
diese haben die verschiedensten Bewegungen in demselben Augen
blicke. Die Hypothese, dass solche Moleküle existiren, ist für sich
allein offenbar nicht ausreichend, um zu einer Theorie zu führen, die
die beobachteten Erscheinungen darstellen soll; es müssen noch
weitere Annahmen gemacht werden über die Eigenschaften der Mole
küle, ihre Anordnung, ihre Bewegung, die Kräfte, die sie auf ein
ander ausüben. Geeignete Annahmen dieser Art zu finden, ist nicht