Paradoxien bei räumlichen Ausdehnungen.
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2. Wie der bisher betrachtete Fall, wo eine Ausdeh
nung, die etwas Unendliches (eine unendliche Länge oder
auch Breite) an sich hat, und gleichwohl von einer nur
endlichen Größe befunden wird, nur bei den zwei höheren
Arten der Ausdehnung, den Flächen und Körpern, nicht
aber bei Linien eintreten kann: so findet das Gegenteil bei
dem Falle statt, auf den wir jetzt zu sprechen kommen,
wo eine Ausdehnung, die deshalb endlich scheint, weil sic
in einen ganz endlichen Raum beschränkt ist, in der Tat
doch eine unendliche Größe besitzt. Dieser Fall nämlich
kann nur bei den zwei niederen Arten der Ausdehnung,
den Linien und Flächen, keineswegs aber bei Körpern
Platz greifen. Ein Körper, in dem es keine Punkte gibt,
deren Entfernungen voneinander jede gegebene Größe über
schreiten, kann sicher nicht unendlich groß sein. So er
gibt es sich unmittelbar aus der bekannten Wahrheit, daß
unter allen Körpern, deren Punkte eine gegebene Entfer
nung E } der eine von dem anderen nicht überschreiten
sollen, der größte eine Kugel vom Durchmesser E sei.
Denn diese enthält jene Punkte allzumal, und ihre Größe
7i:
ist nur —•£'*; jeder andere diesen Raum nicht überschrei-
7t
tende Körper muß also notwendig kleiner als —^ • E ä sein.
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Der Linien dagegen, die sich in den Raum einer einzigen,
auch noch so kleinen Fläche, z. B. eines Quadratschuhes,
einzeichnen lassen, gibt es unendlich viele, und jeder aus
ihnen können wir eine wenigstens endliche Größe, z. B. die
Länge eines Schuhes, erteilen, auch durch Hinzufügung
einer oder auch unendlich vieler Verbindungslinien sie alle
zu einer einzigen durchaus zusammenhängenden Linie ver
einen, deren Länge dann gewiß eine unendliche sein muß.
Und völlig ebenso gibt es der Flächen, die sich in den
Raum eines einzigen, auch noch so kleinen Körpers,
z. B. eines Kubikschuhes, einzeichnen lassen, unendlich
viele, deren jeder wir eine Größe, z. B. die eines Quadrat
schuhes, erteilen können, und durch Hinzufügung einer oder
Bolzano, Paradoxien des Unendlichen. 7