Full text: Paradoxien des Unendlichen

die beiden Mengen seien eineindeutig (oder umkehrbar ein 
deutig) aufeinander bezogen. Zwei Mengen, die eineindeutig 
aufeinander bezogen werden können, heißen nach G. Cantor 
äquivalent oder gleichmächtig. Was B. hier nachweist, kann 
also kurz so ausgesprochen werden: Eine unendliche Menge 
kann äquivalent einer ihrer echten Teilmengen sein. 
Dies trifft sogar, wie man unschwer zeigt, und wie auch B. zu 
Beginn dieses Paragraphen sagt, für jede unendliche Menge zu. 
Und da es für endliche Mengen gewiß niemals zutrifft, so kann 
diese Eigenschaft geradezu zur Definition der unendlichen Mengen 
verwendet werden. Dies ist der Weg, den Dedekind einge 
schlagen hat (Bemerkung zu § 2). 
§ 21. Bleibt es ß.s Verdienst, sich als erster mit der Äqui 
valenz unendlicher Mengen beschäftigt zu haben, so war es 
G. Cantor Vorbehalten, die volle Tragweite dieses Begriffes zu 
erkennen. B. begnügt sich hier mit der rein negativen Fest 
stellung, Äquivalenz sei kein Kriterium für die Gleichheit zweier 
Mengen „in Hinsicht auf die Vielheit ihrer Teile“, eine Behaup 
tung, deren Bedeutung noch dadurch beeinträchtigt wird, daß — 
wie wir zu § 19 bemerkten — nicht klar gesagt wird, was unter 
einer solchen Gleichheit zu verstehen sei. Im Gegensätze hierzu 
hat G. Cantor gerade auf den Begriff der Äquivalenz seine Lehre 
von den Mächtigkeiten (oder Kardinalzahlen) der Mengen 
aufgebaut, die sich als so außerordentlich fruchtbar erwiesen hat. 
Wenn wir von zwei endlichen Mengen sagen, sie enthalten 
dieselbe Anzahl von Elementen, oder — was dasselbe heißt — 
sie haben gleiche Kardinalzahl, so meinen wir damit offenbar 
nichts anderes als: die beiden Mengen sind äquivalent. So sagen 
wir z. B., die Anzahl der Finger der rechten Hand sei die gleiche, 
wie die Anzahl der Finger der linken Hand, weil eine einein 
deutige Zuordnung zwischen den Fingern der rechten und denen 
der linken Hand möglich ist. Die Kardinalzahl einer endlichen 
Menge ist daher nichts anderes als dasjenige Merkmal, das diese 
Menge mit allen ihr äquivalenten Mengen gemein hat, und wo 
durch sie sich von allen übrigen, ihr nicht äquivalenten Mengen 
unterscheidet. „Eine Menge hat die Kardinalzahl 5“ heißt genau 
dasselbe wie: „diese Menge ist äquivalent der Menge der Finger 
einer Hand.“ 
In diese Definition des Begriffes Kardinalzahl geht nun 
aber die Endlichkeit der betrachteten Menge gar nicht ein. Sie 
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Anmerkungen zu § 20, 21.
	        
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