Full text: Paradoxien des Unendlichen

Mangelhafte Definitionen des Unendlichen. 11 
in einem weiteren Sinne, etwa gleichgeltend mit Grenze 
überhaupt: so erinnere ich erstlich, daß es gar manche 
Gegenstände gibt, bei denen man füglich nicht nachweisen 
kann, daß sich an ihnen eine Grenze befinde, ohne dem 
Worte eine höchst schwankende, alles verwirrende Bedeu 
tung unterzuschieben, und die gleichwohl niemand zu den 
unendlichen zählt. So hat doch wohl ein jeder einfache 
Teil der Zeit oder des Raumes (ein Punkt in der Zeit oder 
im Raume) keine Grenzen, wird vielmehr selbst gewöhn 
lich nur als Grenze (einer Zeitlänge oder Linie) betrachtet, 
ja von den meisten geradezu so definiert, nicht anders als 
ob dies zu seinem Wesen gehörte; noch niemandem aber 
fiel ein (es wäre denn etwa Hegel), in dem bloßen Punkte 
eine Unendlichkeit sehen zu wollen. Ebensowenig kennt 
der Mathematiker an der Kreislinie und an so vielen anderen 
in sich zurückkehrenden Linien und Flächen eine Grenze, 
und betrachtet sie doch nur als endliche Dinge (es müßte 
denn sein, daß er auf die unendliche Menge der in ihnen 
enthaltenen Punkte zu sprechen käme, in welchem Betrachte 
er aber auch an jeder begrenzten Linie etwas Unendliches 
anerkennen muß). Zweitens bemerke ich, daß es gar viele 
Gegenstände gäbe, die unleugbar begrenzt sind und dabei 
doch als Größen angesehen werden, die zu den unend 
lichen gehören. So ist es nicht nur bei der schon früher 
erwähnten Geraden, die nur nach einer Seite zu in das 
Unendliche reicht, sondern auch bei dem Flächenraume, 
den ein paar unendliche Parallelen, oder die beiden in das 
Unendliche reichenden Schenkel eines auf einer Ebene ver- 
zeichneten Winkels, zwischen sich einschließen, u. m. a. So 
werden wir auch in der rationalen Psychologie eine Er 
kenntniskraft schon dann unendlich groß nennen, wenn sie, 
auch ohne allwissend zu sein, nur irgendeine unendliche 
Menge von Wahrheiten, z. B. nur die ganze unendliche 
Reihe der Dezimalstellen, welche die einzige Größe ]/a ent 
hält, zu überschauen vermag. 
4. Am gewöhnlichsten heißt es; unendlich groß sei, 
was größer ist als jede angebliche Größe. Hier bedarf
	        
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