Full text: Paradoxien des Unendlichen

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Mangelhafte Definitionen des Unendlichen. 
es vor allem einer genaueren Bestimmung darüber, was 
man sich bei dem Worte angeblich denke? Soll es nur 
so viel bedeuten, daß etwas möglich sei, d. h. Wirklichkeit 
haben könne, oder nur, daß es nichts Widersprechen 
des sei? Im ersten Falle beschränkt man den Begriff des 
Endlichen einzig auf jene Gattung von Dingen, die zu 
den Wirklichkeiten gehören, entweder zu aller Zeit 
wirklich sind, oder doch zu gewissen Zeiten wirklich ge 
wesen sind oder noch werden sollen, oder wenigstens 
irgend einmal zur Wirklichkeit gelangen könnten. In 
diesem Sinne scheint in der Tat Fries (Naturphilosophie 
§ 47) das Unendliche genommen zu haben, wenn er es das 
Unvollendbare nennt. Der Sprachgebrauch aber wendet 
den Begriff des Endlichen und ebenso auch jenen des Un 
endlichen auf beides, sowohl auf Gegenstände an, denen 
Wirklichkeit zukommt, wie namentlich auf Gott, als auch 
auf andere, bei denen von gar keiner Existenz derselben 
gesprochen werden kann, dergleichen die bloßen Sätze und 
Wahrheiten an sich, samt ihren Bestandteilen, den Vor 
stellungen an sich; indem wir endliche sowohl als unend 
liche Mengen derselben annehmen. Versteht man aber 
unter dem Angeblichen alles dasjenige, was sich nur eben 
nicht widerspricht; dann legt man es schon in die Er 
klärung des Begriffes, daß es kein Unendliches gäbe; denn 
eine Größe, die größer sein soll, als eine jede, die sich 
nicht widerspricht, müßte auch größer als sie selbst sein, 
was freilich ungereimt ist. Allein es gibt noch eine dritte 
Bedeutung, in der man das Wort angeblich nehmen 
könnte, wenn man darunter nur etwa solches verstände, 
was eben uns nur gegeben werden kann, d. h, ein 
Gegenstand unserer Erfahrung zu werden vermag. Doch 
ich frage jeden, ob er die Worte endlich und unend 
lich nicht jedenfalls in einem solchen Sinne nehme, und 
— soll in der Wissenschaft ein nützlicher Gebrauch von 
ihnen gemacht werden — auch notwendig nur in einem 
solchen Sinne nehmen müsse, dabei sie jedenfalls eine ge 
wisse innere Beschaffenheit der Gegenstände, die wir so
	        
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