Full text: Paradoxien des Unendlichen

Es gibt unendliche Mengen. 
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unendliche Menge“, sagt man, „kann es schon aus dem 
Grunde nirgends geben, weil eine unendliche Menge nie 
in ein Ganzes vereinigt, nie in Gedanken zusam 
mengefaßt werden kann.“ — Diese Behauptung muß 
ich geradezu als einen Irrtum bezeichnen, als einen Irrtum, 
den die falsche Ansicht erzeugte, daß man, um ein aus 
gewissen Gegenständen a, b, c, d ... . bestehendes Ganze zu 
denken, zuvor sich Vorstellungen, die einen jeden dieser 
Gegenstände im einzelnen vorstellen (Einzelvorstellungen 
von ihnen), gebildet haben müsse. So ist es durchaus nicht; 
ich kann mir die Menge, den Inbegriff oder, wenn man so 
lieber will, das Ganze der Bewohner Prags oder Pekings 
denken, ohne mir einen jeden dieser Bewohner im einzelnen, 
d. h. durch eine ausschließlich ihn nur betreffende Vor 
stellung, vorzustellen. Ich tue das wirklich jetzt eben, in 
dem ich von dieser Menge derselben spreche und z. B. das 
Urteil fälle, daß ihre Anzahl in Prag zwischen den beiden 
Zahlen 100000 und 120000 liege. Es ist nämlich, sobald 
wir erst eine Vorstellung A besitzen, die jeden der Gegen 
stände a, b, c, d . . . ., sonst aber nichts anderes vorstellt, 
überaus leicht zu einer Vorstellung zu gelangen, welche 
den Inbegriff, den alle diese Gegenstände zusammen aus 
machen, vorstellt. Dazu bedarf es in der Tat nichts anderen, 
als den Begriff, den das Wort Inbegriff bezeichnet, mit 
der Vorstellung A in der Art zu verbinden, wie es die 
Worte: der Inbegriff aller A, andeuten. Durch diese 
einzige Bemerkung, deren Richtigkeit jedem, wie ich glaube, 
einleuchten muß, fällt alle Schwierigkeit weg, die man bei 
dem Begriffe einer Menge, wenn sie aus unendlich vielen 
Teilen besteht, finden will; sobald nur ein Gattungsbegriff, 
der jeden dieser Teile, sonst aber nichts anderes umfaßt, 
vorhanden ist, wie dieses bei dem Begriffe: „Die Menge 
aller Sätze oder Wahrheiten an sich,“ der Fall ist, 
wo der benötigte Gattungsbegriff kein anderer als der schon 
vorliegende: „ein Satz oder eine Wahrheit an sich“ ist. — 
Allein ich darf noch einen zweiten Irrtum, den man in 
jenem Einwurfe verrät, nicht ungerügt lassen. 
Sill 
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