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Die Menge aller Zahlen.
kann es uns kaum mehr entgehen, welche Gattung von
Wahrheiten dies sei. Es sind die reinen Begriffswahr
heiten. Was irgendeiner reinen Begriffswahrheit wider
spricht, ist das Unmögliche zu nennen; möglich also,
was mit keiner reinen Begriffswahrheit im Widerspruche
steht. Wer einmal eingesehen hat, dies sei der richtige
Begriff der Möglichkeit, dem kann es kaum mehr in den
Sinn kommen, die Behauptung aufzustellen, daß etwas nur
erst dann möglich sei, wenn es gedacht, d. h. von einem
denkenden Wesen, das sich in seinem Urteile nicht irrt,
für möglich angesehen wird. Denn dieses hieße ja sagen:
„Ein Satz widerspricht nur erst dann keiner reinen Be-
griffswahrheit, wenn es keiner reinen Begriffswahrheit
widerspricht, daß es ein denkendes Wesen gäbe, welches
von diesem Satze der Wahrheit gemäß das Urteil fällt, daß
er keiner reinen Begriffswahrheit widerspreche.“ Wer sieht
nicht, wie gar nicht zur Sache gehörig diese Einmengung
eines denkenden Wesens hier sei? — Ist es aber ent
schieden, daß nicht das Denken die Möglichkeit erst
mache; wo bleibt noch irgendein Grund, aus dem ver
meintlichen Umstande, daß eine unendliche Menge von
Dingen nicht zusammen gedacht werden kann, zu fol
gern, daß es dergleichen Mengen nicht geben könne?
§ i5-
Ich betrachte es nun als genügend dargetan und ver
teidigt, daß es unendliche Mengen, wenigstens unter den
Dingen, die keine Wirklichkeit haben, gäbe; daß nament
lich die Menge aller Wahrheiten an sich eine unendliche
sei. Man wird in ähnlicher Weise, wie § 13 geschlossen
wurde, auch zugeben, daß die Menge aller Zahlen (der
sogenannten natürlichen oder ganzen, deren Begriff wir
§ 8 erklärten) unendlich sei. Aber auch dieser Satz klingt
paradox, und wir dürfen ihn eigentlich als die erste
der auf dem Gebiete der Mathematik erscheinenden Para
doxien betrachten; denn die vorhin betrachtete gehört