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Unendliches auf dem Gebiete der Wirklichkeit.
Guten) will, und alles, was es will, durch seine Kraft
nach außen zu wirken, in Wirklichkeit setzt. Aus dieser
letzteren Eigenschaft Gottes ergibt sich die weitere Folge,
daß es auch außer ihm Wesen, nämlich geschaffene
gibt, die wir im Gegensatz zu ihm nur endliche Wesen
nennen; an denen sich aber dennoch manches Unendliche
nach weisen läßt. Denn schon die Menge dieser Wesen
muß eine unendliche sein; ingleichen die Menge der Zu
stände, die jedes einzelne dieser Wesen während einer
auch noch so kurzen Zeit erfährt, muß (weil jede solche
Zeit der Augenblicke unendlich viele enthält) unendlich
groß sein usw. Auch auf dem Gebiete der Wirklichkeit
begegnen wir also überall einer Unendlichkeit.
§ 26.
Doch dieses zuzugestehen, weigern sich selbst mehrere
derjenigen Gelehrten, welche bei Dingen, die keine Wirk
lichkeit haben (wie bei den bloßen Sätzen und Wahrheiten
an sich), ein Unendlichkeit nicht ableugnen zu können ein-
sehen Denn ein Unendliches sogar auf dem Gebiete der
Wirklichkeit zuzulassen, das, meinen sie, werde durch den
uralten Grundsatz, daß alles Wirkliche eine durch
gängige Bestimmtheit haben muß, verboten. Allein
ich glaube, schon in der Wissenschaftslehre (Bd. I, § 45)
gezeigt zu haben, daß dieser Grundsatz in eben dem Sinne,
in dem er von allen wirklichen Dingen gilt, auch von
den unwirklichen gelte. Überall nämlich gilt er bloß in
dem Sinne, daß jedem Gegenstände (jedem beliebigen Etwas)
von je zwei widersprechenden Beschaffenheiten die eine
zukomme, die andere abgesprochen werden müsse. Wäre
es demnach gegründet, daß wir durch die Annahme einer
Unendlichkeit bei Dingen, die Wirklichkeit haben, gegen
diesen Grundsatz verstoßen: so dürften wir auch bei den
unwirklichen Objekten unseres Nachdenkens von keiner
Unendlichkeit sprechen, also nicht einmal eine unendliche
Menge von Wahrheiten an sich oder von bloßen Zahlen