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Die Null.
Unstreitig wollen alle Mathematiker mit dem Zeichen o
nur einen solchen Begriff verbunden wissen, daß es, A sei
was immer für ein Größenausdruck, unentschieden ob einer
wirklichen Größe entsprechend, oder ganz gegenstandslos,
erlaubt bleibe, die beiden Gleichungen
I. A — A = o, II. A + o = A
zu schreiben. Hier wird nun jeder zugestehen, daß dieses
nur verstattet sein N könne, wenn wir das Zeichen o selbst
nicht als die Vorstellung einer wirklichen Größe, sondern
als bloße Abwesenheit einer Größe und die Zeichnung A + o
als eine Forderung betrachten, zu der etwaigen Größe, die
A bezeichnet, in Wahrheit weder etwas zusetzen noch
abziehen zu wollen. Irrig wäre es aber zu glauben, daß
schon die bloße Erklärung, daß Null eine gegenstandslose
Größenvorstellung sei, zur vollständigen Bestimmung des
Begriffes, den Mathematiker mit diesem Zeichen verbinden,
hinreiche. Denn offenbar gibt es noch andere in der Mathe
matik übliche Größenbezeichnungen, wie namentlich das in
der Analysis so ungemein wichtig gewordene Zeichen y— i,
die gleichfalls gegenstandslos sind, die wir desungeachtet
nicht als gleichgeltend mit o ansehen und behandeln dürfen.
Bestimmen wir aber die Bedeutung des Zeichens o genauer
durch die Erklärung: es solle so aufgefaßt werden, daß die
zwei Gleichungen I und II allgemein gelten: so stellen wir
einen Begriff auf, der einerseits völlig so weit ist, als der
bisherige Gebrauch und das Interesse der Wissenschaft es
fordert, und andererseits doch auch enge genug ist, um
jeden Mißbrauch desselben zu verhindern.
Es ist aber, näher betrachtet, nicht bloß der Begriff der
Null, der durch die festgesetzte Allgemeingültigkeit der
beiden Gleichungen I und II auf eine eigene Weise be
stimmt wird, sondern es erfahren auch die Begriffe des
Addierens und des Subtrahierens, welche hier unter
den Zeichen -|- und — auftreten, durch die Festsetzung
dieser Gleichungen eine eigentümliche Erweiterung, die sehr
zum Vorteile der Wissenschaft gereicht.